Wolfsbrut
Mauer, jeder hastete für sich durch das Unterholz.
Sie vereinten sich nicht weit entfernt wieder, näher als es sicher war. Sie hatten es alle gerochen: Jemand aus der Meute blutete.
Das jüngste Männchen fehlte. Der Vater hielt die Nase an die der Familie. Sie spendeten ihm Trost, nur das jüngste Weibchen nicht. Ihre Augen sagten zu ihm: »Warum hast du uns geschickt?« Und sie meinte: »Wir waren die jüngsten, die unerfahrensten, und wir hatten solche Angst!« In ihrem Zorn sagte sie ihm, sie wolle nicht mehr seine Tochter sein, wenn ihr Bruder sterben mußte.
Er wußte, ihr Zorn saß tief, und die Beruhigungen der restlichen Meute konnten sie nicht umstimmen. Nachdem solche Gefühle ausgesprochen worden waren, konnten sie nicht mehr zurückgenommen werden. Während sie zu der Stelle gingen, wo sich der Verwundete versteckt hatte, schüttelte der Vater voll Kummer den Kopf. »Sie dich nur an!« sagte seine Schwester mit Augen und Ohren, »du wackelst mit dem Kopf wie ein dummer Wolf! Bist du Vater oder Kind?«
Ihr Abscheu demütigte ihn, aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Er hielt das Nackenhaar sorgfältig glatt und widerstand dem Impuls, es sich aufrichten zu lassen. Er hielt den Anus mit bewußter Anstrengung geschlossen; er würde seinem Instinkt nicht gehorchen und den Geruch der Gefahr an diesem Ort verbreiten. Den Schwanz ließ er gerade herabhängen, keine hoch aufgerichtete Flagge des Stolzes und auch nicht unterwürfig zwischen die Beine geklemmt. Nein, gerade und kein Wedeln; das war würdevoll und neutral und drückte Ernsthaftigkeit aus.
Trotz all seiner Anstrengungen sagte seine Schwester: »Verströme deinen Geruch, zeige deinen Kindern deinen Kummer. Nicht einmal dafür bringst du den Mut auf.«
Sein Geruch strömte aus, er konnte ihn nicht mehr zurückhalten. Der stechende Gestank erfüllte die Luft. Er verfluchte sich selbst, noch während er große Flecken davon verspritzte, die ihn verrieten und von seiner inneren Schwäche kündeten.
»Ich bin euer Vater«, sagte er, und jetzt setzte er den Schwanz ein, hob ihn und wedelte stolz damit; stellte die Ohren auf und ließ seine Augen leuchten. Aber es war der Geruch der Angst. Der Verrat war vollkommen. Sein erster Sohn trat nach vorne. »Laß mich meinen Bruder suchen«, signalisierte er mit einem Schnappen des Kiefers und einem respektlosen Schwanzwedeln. Die vier, Schwester, Töchter und Sohn näherten sich dem verwundeten Geruch des jüngsten Männchens. Kaum waren sie nicht mehr zu sehen, ergab sich der Vater einem übermächtigen Impuls und rollte sich auf den Rücken. Er lag da und trat zuckend mit den Hinterbeinen aus, spürte, wie die warme Woge der Unterwerfung über ihn hinwegrollte, wie er sich entspannte und seine Führerschaft aufgab. Aber seine eigene Meute war nicht da, es zu sehen, sein ältester Sohn nicht anwesend, um seinen Hals zwischen die Zähne zu nehmen. Nein, er rollte allein unter dem blinden Himmel. Auch wenn sein Sohn ihn verdrängte, würde er seinen Vater niemals rollen sehen.
Ein leises Heulen ertönte. Er zitterte, als er die Trauer hörte. Seine Schwester hatte den Klagelaut des Todes gesungen! Die Wunden ihres jüngsten Sohnes waren tödlich. Er schüttelte den Kopf und rang um Beherrschung. Dann trottete er seiner nächsten und schrecklichen Pflicht entgegen. Obwohl sein ältester Sohn oder seine Schwester bald Anführer der Meute werden würden, war er immer noch der Alte Vater und mußte es tun. Er blieb stehen und hob den Kopf. Sollten die Menschen es ruhig hören. Er würde seinen Kummer hinausheulen. Und er tat es laut und stolz. Und hörte sofort das ängstliche Wimmern seines zweiten Sohnes. Da eilte er weiter und kam wenig später zu der Stelle an der Mauer, wo die ganze Familie sich um eine zusammengekauerte graue Gestalt versammelt hatte. Ihre Gesichter waren von Kummer verzerrt, Speichel troff aus ihren Mündern.
Sie mißachteten ihn und fügten sich ihm nur äußerlich. Sobald er seine letzte Pflicht erfüllt hatte, würde die Zeit seiner Führerschaft enden. Er ging zu seinem Sohn und beschnupperte ihn. Der Junge zitterte, er war kalt und jetzt verdrehte er die Augen nach oben. Der Alte Vater spürte die Schmerzen des Jungen bis in die eigenen Knochen. Doch trotz seines Kummers war er stolz auf seinen Sohn, der sich mit so schmerzhaften Wunden so weit geschleppt hatte, um sich vor den Menschen zu verbergen. Das junge Männchen seufzte und sah seinen Vater lange an. Dann
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