Wolfsbrut
und naß hier, und er war nicht für einen Spaziergang im Gestrüpp angezogen. Dann sah er sie wieder, die kleine rote Spur im Schnee. Und hier waren weitere Pfotenabdrücke, mindestens drei verschiedene. Wer immer sie hinterlassen hatte, war vor nicht allzu langer Zeit hier durchgekommen. Ein Rudel wilder Hunde, das vor zwei schießwütigen Polizisten davonlief? Teufel auch, das wurde interessant.
Er folgte den Spuren noch ein Stück, dann blieb er stehen. Vor ihm war ein großer Blutfleck, von dem eine deutliche Spur wegführte, die man nicht übersehen konnte. Diese Spur führte eine kleine Anhöhe hinauf in noch dichteres Gebüsch. Garner folgte ihr fluchend. Jedesmal, wenn er mit dem Rücken daran entlangfuhr, luden tiefhängende Zweige ihre Schneelast auf ihn ab. Er zwängte sich von Fleck zu Fleck und kam an eine Stelle, wo Zweige abgebrochen waren, viele Pfoten den Schnee weggekratzt hatten und alles blutig war. »Mein Gott«, flüsterte er. Überall lagen Fleischfetzen und Fellreste, halb gefroren auf dem Boden oder in den abgebrochenen Zweigen. Es war ein gräßlicher Anblick, und Garner fühlte sich plötzlich ängstlich und allein. Er spähte in die Büsche um ihn herum. Bewegten sich dort Schatten am Rand seines Gesichtsfelds? Es war unheimlich still hier. Die düstere Atmosphäre des Schauplatzes eines Verbrechens, ein Ort, wo etwas Gewaltsames geschehen war, und es stank. Ein übler, erstickender Tiergeruch hing in der Luft. Er war moschusähnlich und erinnerte ihn an... es war ein weiblicher Geruch, der sich mit dem Gestank des Blutes vermischte. »Was, zum Teufel, ist das?« sagte er leise. Er mußte an die beiden Polizisten denken, an die seltsamen Ereignisse, die sich vor einer halben Stunde abgespielt hatten. Was, zum Teufel, ging hier vor?
Er zog sich langsam und vorsichtig von der Stelle zurück. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus. Er knirschte mit den Zähnen und bekämpfte den Impuls, sich umzudrehen und wild zwischen den Bäumen hindurch zu fliehen. Statt dessen ging er so leise wie er konnte. Nicht weit entfernt konnte er das Dröhnen des Verkehrs auf der Central Park West hören. Doch an diesem wilden, unmenschlichen Platz schien das eine Ewigkeit entfernt zu sein. Das war das richtige Wort, ihn zu beschreiben - unmenschlich. Eine mächtige und überwältigende Präsenz beherrschte diesen Ort, das Blut, die Fleischfetzen, der schreckliche Geruch - das alles wirkte zusammen und rief in Sam Garner ein allumfassendes Grauen hervor, das aus seinem dunklen Kern emporzusteigen schien und drohte, ihn in blinde, kopflose Panik zu stürzen. Er ging schneller, aber er rannte nicht.
»He, Sam!« rief eine ferne Stimme. »Sam!«
Garner hörte sie, hatte aber Angst zu antworten, Angst, die eigene Stimme laut werden zu lassen. Etwas war in seiner Nähe, dessen war er sich ganz sicher, verfolgte ihn, hielt sich gerade außerhalb seines Sehbereichs in den Büschen versteckt. Er ging schneller, dann lief er. Zweige schlugen ihm entgegen, zerkratzten ihm das Gesicht, rissen ihm den alten Fellhut vom Kopf, schnitten ihm in die Hände. Dann war die Mauer vor ihm, so hoch, daß er sie von dieser Seite nicht erklimmen konnte. »Rich«, schrie er. »Rich!«
Der Fotograf sah nach unten. Er riß die Augen auf und stieß einen schrillen Schrei aus.
»Hilf mir!« kreischte Garner. Er hob die Arme und griff panisch nach den ausgestreckten Händen des Fotografen. Er kletterte langsam und unter Schmerzen auf die Mauer und mit Fields' Hilfe auf der anderen Seite hinunter und auf eine Bank.
»Gütiger Gott, was war das für ein Ding, zum Teufel?« brabbelte Fields.
»Weiß nicht.«
»Komm schon - verschwinden wir von hier!« Fields lief zum Auto, der Verkehr auf der Central Park West bremste quietschend, als er über die Straße lief. Sam Garner folgte ihm benommen. Er war krank vor Angst. In diesem Park war etwas Unaussprechliches vor sich gegangen, und als er geflohen war, hatte ihn eine Art Höllenhund verfolgt.
Er sprang ins Auto, schlug die Tür zu, verriegelte sie und lehnte das böse zerkratzte Gesicht ans Lenkrad. »Was war das?« flüsterte er. Dann sah er zu Fields auf und blinzelte Tränen aus den Augen. »Was war das?«
Fields war verlegen und sah weg. »Keine Ahnung. Viel größer als ein Hund.« Jetzt stammelte er. »Hatte eine Art... Gesicht. Heiliger Herrgott...«
»Beschreib' es! Ich muß es wissen.«
»Kann nicht... ich habe es nur einen Augenblick gesehen.« Er schüttelte langsam den
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