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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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den geschmeidigen, fast katzenartigen Gang hätte ich Malachi Cartwright erkannt. Er stach hervor wie ein Pfau unter Krähen.
    Hatte er sich meine Rede angehört? Ich hatte meinen Blick während und nach der Begrüßung über die Menge schweifen lassen, ihn jedoch nirgends entdeckt.
    Die Schlussakkorde des Stücks verklangen, und die letzten verbliebenen Zuschauer – fast ausschließlich Eltern der Bandmitglieder – klatschten.
    Ich vergewisserte mich, dass alles abgebaut und weggebracht wurde, erst dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Büro.
    „Nette Showeinlage“, begrüßte mich Joyce.
    „Ja, die Band kommt wirklich gut an.“
    „Ich meinte Ihre Marilyn-Monroe-Imitation.“
    Mein Gesicht wurde heiß. „Ich hatte eher auf June Cleaver abgezielt.“
    „Falls Sie nicht für Muschi macht das schon vorsprechen wollten, lagen Sie weit daneben.“
    „Muschi was?“
    „Ich spreche von dem Porno“, erklärte sie simpel und gab etwas in ihren Computer ein. „Er hat sogar eine Handlung. June und Ward Cleaver genießen ein seltenes Wochenende ohne Kinder und … “
    „Stopp!“ Ich legte die Hände an meinen Kopf „Meine Ohren. Bluten sie?“
    „Nur weil ich alt bin, heißt das nicht, dass ich tot bin.“
    Ich wusste nicht, wie alt Joyce war, und hatte mich nie getraut, sie danach zu fragen. Ich hatte sie immer für etwa so alt wie meinen Vater gehalten.
    „So alt sind Sie doch gar nicht.“
    Sie winkte ab. „Die Auswahl an Männern hier in der Gegend ist in jedem Alter ziemlich dürftig.“
    Das stimmte. Und für jemanden, der auf die Rente zusteuerte, galt das bestimmt umso mehr. Joyce hatte schlechte Karten, es sei denn, sie wollte mit Sieht-, Hört- oder Sagt-nichts-Böses ausgehen. Ich zog die Nase kraus. Kennt-keinen-Spaß konnte man gleich vergessen.
    „Wie kommt es, dass Sie nie geheiratet haben, Joyce?“
    Sie riss den Kopf hoch und sah mich aus großen Augen an. „Ich?“
    „Ja, Sie. Offensichtlich lieben Sie Kinder, denn sonst wären Sie nicht Lehrerin geworden.“
    Sie schnaubte verächtlich. „Schätzchen, zu meiner Zeit wurde man entweder Krankenschwester oder Lehrerin. Ich zog einen unblutigen Beruf vor.“ Sie schürzte die Lippen. „Obgleich ich auch als Sportlehrerin meinen Teil an Blut gesehen habe.“
    „Sie mochten keine Kinder?“
    „Ich mochte Sie .“ Joyce lächelte.
    Ich lächelte zurück. „Danke.“
    Ich weiß nicht, was ich als Teenager ohne sie getan hätte. Es hatte Dinge gegeben, die ich meinen Vater nicht fragen konnte. Dinge, auf die selbst Grace keine Antwort wusste. Aber Joyce war immer für mich da gewesen. Auch wenn sie mich oft bemuttert hatte, wenn ich es nicht wollte, war sie mir stets eine Freundin gewesen, falls ich eine brauchte, und dafür würde ich ihr immer dankbar sein. Ich wollte, dass sie glücklich war.
    „Gab es niemals jemanden, mit dem Sie sich eine Heirat hätten vorstellen können?“, hakte ich nach.
    Joyce starrte auf den Schreibtisch, und ich wusste Bescheid.
    „Dad?“
    Sie zuckte die Achseln. „Er hat sich nie für eine andere als für Ihre Mutter interessiert. Daran hat auch ihr Tod nichts geändert.“
    „Das tut mir leid … “
    „Nein.“ Sie hob die Hand. „Ich hätte es forcieren und ihn allein schon wegen seiner Einsamkeit dazu überreden können, mich zu heiraten, aber ich wollte nicht mein Leben lang die Nummer zwei bleiben. Hier … “ – ihre Geste umfasste das gesamte Büro – „… war ich die Nummer eins. Er war von mir abhängig. Er brauchte mich und niemanden sonst.“
    „Mir ergeht es genauso. Ich könnte das alles ohne Sie nicht bewältigen, Joyce.“
    „Danke, Claire. Das bedeutet mir viel.“
    „Wohin verschwinden Sie eigentlich immer, wenn Sie … verschwinden?“, wagte ich den Vorstoß.
    „Auf die Toilette.“
    „Nein, diese Art von Verschwinden meine ich nicht. Ich rede davon, wenn Sie sich manchmal praktisch in Luft auflösen.“
    Sie fixierte ihren Schreibtisch. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Also, möchten Sie sich das Video ausleihen? Ich finde, Sie könnten ein wenig Spaß vertragen.“
    Meine Gedanken schweiften augenblicklich zu dem Spaß, den ich letzte Nacht gehabt hatte, und ich musste mich abwenden, damit sie mein Lächeln nicht sah. „Danke, aber ich bin rundum zufrieden.“
    Zum ersten Mal seit Langem schien das tatsächlich zuzutreffen.
    Nun, da das Festival eröffnet war, hatte ich gleichzeitig mehr und weniger zu tun als sonst. Die Einheimischen kamen nicht auf ein

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