Wolfsdunkel -7-
meinen Monitor mit Tausenden von Seiten. Die ersten verwiesen auf verschiedene Ureinwohnerstämme – die Inuit und Ojibwa im Speziellen, jedoch keine Erwähnung der Cherokee.
Die nächsten Referenzen drehten sich um Wicca – Zauber, Naturheilkunde, Glück und Verderben und sämtliche Grauzonen dazwischen.
Ich rieb meine Stirn. Das führte nirgendwohin.
Das Telefon klingelte; der schrille Ton zerriss die friedliche Stille meines Büros. Ich warf Joyce durch die Glasscheibe einen finsteren Blick zu.
Wild gestikulierend, forderte sie mich auf abzunehmen, und mir fiel ein, dass ich ihr aufgetragen hatte, mich nur in Notfällen zu stören. Hastig griff ich zum Hörer. „Claire Kennedy.“
„Schaff deinen Allerwertesten ins Krankenhaus!“
„Grace?“, fragte ich, aber sie hatte schon aufgelegt.
13
Keine Ahnung, was ich in der städtischen Klinik von Lake Bluff vorzufinden erwartet hatte, aber ganz bestimmt nicht Grace, die reglos in einem leeren Krankenzimmer saß und auf ihre Hände starrte.
„Wo brennt’s denn?“, fragte ich.
Sie hob den Kopf. „Er ist weg.“
„Wer ist weg?“
„Ryan Freestone.“ Auf meine verständnislose Miene hin ergänzte sie: „Der Tourist, der von einem Wolf angefallen wurde.“
„Das heißt?“
„Er ist einfach verschwunden, und ich kann nirgendwo eine Spur von ihm finden.“
Jetzt musste auch ich mich setzen. „Bitte erzähl von Anfang an.“
Grace spreizte die Hände. In einer hielt sie das Rindenstück mit der eingekerbten Swastika. „Ich kam her, um ihn hiernach zu fragen. Da war er schon weg. Niemand hat ihn seit gestern Abend mehr gesehen.“
„Er hatte das Krankenhaus satt und hat sich davongemacht. Ich würde das ganz sicher tun.“
„Er ist nicht in sein Hotel zurückgekehrt. Sein Auto steht immer noch auf dem Parkplatz.“
„Er amüsiert sich auf dem Festival.“
„Möglich. Ich habe meine Leute angewiesen, nach ihm Ausschau zu halten. Bislang hat ihn keiner gesehen.“
„Er wird wieder auftauchen.“
„Möglich“, wiederholte sie und rollte das Rindenstück zwischen ihren Fingern wie einen Sorgenstein.
„Was setzt dir so zu?“
„Ich habe mir das Überwachungsvideo angeschaut.“
Ein nervöses Kribbeln kroch über meinen Rücken. „Und?“
Sie griff nach der Fernbedienung des Videorekorders und richtete sie auf den Fernseher, der gegenüber dem Bett an der Wand montiert war. Ein leises Brummen, dann erwachten flackernde Bilder zum Leben.
Ein schwach beleuchteter Flur. Die winzige Digitalanzeige in der unteren Ecke des Videos gab die Zeit mit drei Uhr dreiundzwanzig an. Eine Tür ging auf, und ein Mann trat heraus.
Ein splitterfasernackter Mann.
„Ist er das?“
„Mmmm.“
„Er scheint sich nicht viel aus Krankenhaushemden zu machen.“
Grace sparte sich eine Erwiderung.
Freestone schlich auf den Vordereingang zu, dann duckte er sich weg, als hinter dem Empfang die Gestalt einer Schwester sichtbar wurde. Er drehte sich zur Kamera, und ich erhaschte einen guten Blick auf sein Gesicht – es war schrecklich behaart, mit wilden, fiebrigen Augen, die mich an einen Fanatiker oder Irren denken ließen. Da es sich um eine Schwarz-Weiß-Aufnahme handelte, konnte ich über seine Haarfarbe nicht mehr sagen, als dass sie heller als schwarz, und über seine Augenfarbe, dass sie heller als dunkel war.
„Nicht gerade das hübscheste Exemplar von einem Mann“, kommentierte ich.
„Den Krankenschwestern zufolge hatte er Fieber, und zwar sehr hohes. Er sagte alle möglichen seltsamen Sachen.“
Die Videoaufzeichnung zeigte weiter, dass Freestone dann ein offenes Fenster entdeckte. Mit einem eigentümlich galoppierenden Schlurfen hielt er darauf zu, sprang aufs Fensterbrett und verschwand in der Nacht.
„Wir sind hier im ersten Stock“, stellte ich fest.
„Dir entgeht wirklich nichts.“
„Was hast du unter dem Fenster gefunden?“
„Fußspuren, die in den Wald führen.“
„Hohes Fieber schwächt einen normalerweise.“
„Normalerweise.“ Grace drückte die Stopptaste, spulte ein Stück zurück, dann schaltete sie auf Pause.
„Sieh dir das mal an.“ Sie nahm ein Bündel weißen Verbandmulls vom Bett und hielt es mir vor die Nase.
Ich verzog das Gesicht. „Muss ich?“
Sie zog eine Braue hoch, woraufhin ich den Verband mit spitzen Fingern entgegennahm. Er war zerknittert und zerrissen, aber es haftete kein Blut daran und auch sonst nichts, das ich lieber nicht sehen wollte.
„Ich verstehe nicht.“ Ich gab ihn ihr
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