Wolfsdunkel -7-
verließ den Parkplatz. Ich blieb noch ein paar Minuten in meinem Wagen sitzen, wehmütig darauf hoffend, dass Malachi noch mal auftauchen würde. Ich könnte bleiben und mir die Show ansehen, aber nach der letzten Nacht und dem heutigen Tag bezweifelte ich, dass ich durchhalten würde, ohne einzuschlafen.
Ich rief in meinem Büro an, aber Joyce war entweder nicht da oder ging nicht ran. Vermutlich war es zu spät. Ich versuchte es bei ihr zu Hause, mit dem gleichen Resultat. Vielleicht war sie gerade auf dem Weg hierher. Ich könnte warten oder mich mit dem Gedanken trösten, dass sie angerufen hätte, wenn es ein Problem gäbe. Dafür gab es schließlich Handys. Ich ließ den Motor an und machte mich auf den Heimweg.
Als ich von dem Kiesweg, der zum See führte, abbog und mich über die kurvige Straße den Hügel hochschlängelte, ging gerade die Sonne unter und erzeugte lange Schatten auf dem Asphalt. Grace war längst weg; noch nicht einmal ein leises Flackern ihrer Rücklichter war in der Ferne zu erkennen.
Zwei Dutzend Autos kamen mir entgegen, dann war die Landstraße wie ausgestorben. Die letzten Lichtreste sickerten durch die Pinien und ließen Staubpartikel über meine Windschutzscheibe tanzen.
Alles war so schrecklich still. Kein Wind, nicht ein einziger Vogelruf. Es lag die gleiche unbewegte, schwüle Atmosphäre in der Luft, die einem Tornado vorausgeht. Ich trat aufs Gaspedal; ich wollte nur noch nach Hause und die Tür hinter mir zusperren.
Ein dunkler Schemen tauchte wie aus dem Nichts vor meinem Auto auf; mir blieb kaum die Zeit, mich zu wappnen, als ich auch schon mit ihm zusammenprallte. Ich stieg auf die Bremse, riss das Lenkrad nach rechts und kam mit einem derart heftigen Ruck zum Stehen, dass ich nach vorn geschleudert wurde, bis mein Gurt mich mit einem Klicken abfing. Der Aufprall war nicht heftig genug gewesen, um meinen Airbag zu aktivieren.
Ich schnallte mich ab und sprang aus dem Wagen.
Ein großer schwarzer Wolf lag unter der rechten Seite meiner Stoßstange. Blut verdunkelte die Straße, und der Hals des Tiers war in einem unnatürlichen Winkel verdreht.
Ich schlich näher, da öffnete der Wolf die Augen. „Balthazar“, keuchte ich.
Er ruckte den Kopf nach vorn, und das Krachen, das die Bewegung begleitete, ließ mich zurücktaumeln. Als er sich schüttelte, flogen Blutstropfen aus seinem Fell und prasselten wie Regen auf die Straße und die Vorderseite meines Autos.
Ich hechtete hinein. Das Einrasten der automatischen Schlösser gab mir ein Gefühl der Sicherheit, wenn auch nur für den Sekundenbruchteil, den der Wolf brauchte, um auf die Motorhaube zu springen.
Ich hatte nicht die Zeit nachzudenken, geschweige denn zu reagieren, aber ich hätte sowieso nicht gewusst, was ich tun sollte. Der Wolf mit Balthazars Augen machte einen Satz, landete mit der Schnauze auf der Windschutzscheibe und hinterließ eine glitschige Blutspur auf dem Glas. Ich schrie auf und krümmte mich in meinem Sitz zusammen.
„Er kann nicht rein“, redete ich mir gut zu. „Windschutzscheiben sind wesentlich schwerer zu zertrümmern, als man denkt.“
Ich fasste nach dem Zündschlüssel, als Balthazar von Neuem attackierte. Das Glas zerbarst.
Knurrend und geifernd drängte sich mir seine Schnauze entgegen; seine Krallen kratzten über die Motorhaube, als er um einen besseren Halt kämpfte. Entsetzt und fasziniert zugleich saß ich wie versteinert da. Ich hatte immer gewusst, dass Balthazar es auf mich abgesehen hatte.
Dann riss ich mich zusammen. Ich hatte nicht vorgehabt, ihn bei einer Wahl gegen mich gewinnen zu lassen; und genauso wenig würde ich ihn hier gewinnen lassen …
Ich schnallte mich blitzschnell an, startete den Motor und trat aufs Gaspedal. Das Auto machte einen Satz nach vorn, wodurch mir der Wolf gefährlich nahe kam. Ich stieg mit voller Wucht auf die Bremse, und Balthazar flog über die Motorhaube, landete auf dem Boden vor dem Kühlergrill.
Ich zögerte nicht, sondern trat das Gaspedal durch und überfuhr ihn.
Meine Vorderräder hoben und senkten sich mit einem übelkeiterregenden Rumsen; gleich darauf taten meine Hinterräder das Gleiche.
„Bremsen. Rückwärtsgang einlegen.“ Ich führte meine eigenen Anweisungen aus, so schnell ich konnte. Aber als ich über meine Schulter sah, stand Balthazar schon wieder auf.
Ich rammte ihn ein weiteres Mal und rollte über ihn hinweg.
Er stand auf.
Balthazar, der Wolf, kauerte angriffslustig im Licht meiner Scheinwerfer. Ich
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