Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Bennys Wohnmobil versteckte.
Folglich sah Benny sich zu einer Notlüge veranlasst: »Nein. Ich weiß auch nicht mehr als du.«
Dr. Schönthaler gab sich mit dieser Aussage anscheinend zufrieden. Er wandte sich einen Moment ab und beobachtete eine Taube, die sich gerade rucksend auf dem Fenstersims niedergelassen hatte. Plötzlich drehte er sich mit leuchtenden Augen wieder zu Benny hin. »Aber ich weiß mehr als du.«
»Und was?«, fragte Benny neugierig.
»Na, ich weiß zum Beispiel, dass Wolf in Mainz bei der Kriminalpsychologin aufgekreuzt ist. Kennst du Eva eigentlich?«
»Nicht persönlich. Wolf hat sie irgendwann mal erwähnt, aber eben nur so nebenbei.« Er warf die Stirn in Falten und ergänzte mit verunsicherter Miene: »Gab’s nicht vor einiger Zeit einen Mordanschlag auf sie? Oder liege ich da falsch?«
»Nein, nein, du liegst schon richtig. Das ist bei dieser merkwürdigen Sache mit den beiden Walther-Brüdern passiert. War ’ne komische Geschichte – so ungefähr vor einem Jahr«, antwortete der Rechtsmediziner.
Plötzlich schien ihm einzufallen, dass er seinem Gegenüber eigentlich etwas ganz anderes hatte erzählen wollen. »Also, Wolf ist gestern nach seiner Flucht direkt zu ihr nach Mainz gefahren. Wegen seiner angeblichen Amnesie.«
»Was? Er hat eine Amnesie?«, spielte Benny wieder den Part des Unwissenden.
Dr. Schönthaler begann, nervös auf seinen farblosen Lippen herumzunagen. Er stützte sich mit seiner linken Hand am Treppengeländer ab. »Eigentlich darf ich dir das ja gar nicht sagen.«
»Warum?«
»Weil Eva mir das alles nur unter dem Siegel der strikten Verschwiegenheit mitgeteilt hat. Sie meint nämlich, dass es hier im Kommissariat vielleicht einen Verräter gibt. Deshalb wollte sie nur mich informieren. Aber was solls, dir kann ich ja wohl vertrauen. Du behältst das aber bitte für dich, ja?«
»Natürlich.«
»Er war übrigens nur kurz bei ihr und hat sich dann gleich wieder aus dem Staub gemacht. Mit unbekanntem Ziel.«
Benny brummte, enthielt sich aus guten Gründen aber jeglichen Kommentars. Er brachte es einfach nicht übers Herz, den gutgläubigen, treuen Freund Tannenbergs noch ein weiteres Mal zu belügen.
Der Gerichtsmediziner erzählte ihm anschließend noch einige weitere Details des Anrufs, den er gestern Abend von Dr. Eva Glück-Mankowski erhalten hatte. Es handelte sich dabei allerdings um Informationen, die sowohl Benny als auch Tannenberg bereits hinlänglich bekannt waren: die von dem LKA-Mitarbeiter Friedrich ins Spiel gebrachte KO-Gas-Theorie, seine Vermutung über die Täterschaft eines Profikillers usw.
Danach verabschiedeten sich die beiden Männer mit der gegenseitigen Zusage, sich sofort bei dem anderen zu melden, sobald einer von ihnen ein Lebenszeichen von ihrem gemeinsamen Freund erhalten würde.
An einem Kiosk am Pfaffplatz besorgte sich der holländische Kriminalbeamte noch die tagesaktuelle Ausgabe der Pfälzischen Allgemeinen Zeitung , deren vollständiger Name allerdings in der Region kaum jemand in den Mund nahm. Die Einheimischen nannten ihre Lokalzeitung schlicht und ergreifend ›PALZ‹ .
Auf dem Weg zum Bus fiel Benny plötzlich ein, dass Tannenberg ein leidenschaftlicher Liebhaber italienischer Rotweine war. Um ihm eine kleine Freude zu machen, kaufte er deshalb in einem Supermarkt zwei Flaschen Barbera, ein Chiabatta und Käse ein. Dann fuhr er mit der Linie 1 zurück zur Bushaltestelle am Kleeblatt und erreichte nach einem kurzen Fußmarsch sein Wohnmobil.
Tannenberg erwartete ihn bereits sehnsüchtig. Aus der verkrampften Körperhaltung, mit der er seinem jungen Freund entgegentrat, konnte man nur allzu offensichtlich die extreme innere Anspannung herauslesen, unter der er seit nunmehr fast zwei Tagen litt.
»Was hast du im K1 rausgekriegt?«, bedrängte er ihn sofort.
Ohne zu antworten schob ihn Benny zur Sitzecke hin und drückte ihn mit sanfter Gewalt auf die Bank.
»Komm, Wolf, setzt dich erst mal hin. Du bist ja völlig fertig.« Er griff nach Tannenbergs zitternden Händen und drückte sie fest. »Du musst versuchen, dich zu beruhigen. Sonst drehst du mir noch durch. Und genau das können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Wir müssen weiter versuchen, Informationen zusammenzutragen und uns in Ruhe zu überlegen, wie wir vorgehen wollen. Und dann werden wir bestimmt auch einen Ausweg finden.«
Der per internationalem Haftbefehl gesuchte Kaiserslauterer Kriminalbeamte befreite seine Hände ruckartig aus der
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