Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
passieren. Wer weiß denn, auf wen diese Schweine es als Nächstes abgesehen haben.« Wieder übermannte ihn ein Weinkrampf. »Vielleicht Heiner ..., Tobi ... Max ... oder Marieke. Die ist doch schwanger!« Nun brachen bei ihm endgültig alle Dämme.
Ein paar Sekunden lang verhielt sich Benny völlig ruhig, dann aber ergriff er das Wort: »Wolf, ich glaub, es ist besser, wenn ich jetzt die Feuerwehr anrufe, sonst brennt hier noch der ganze Wald ab.«
»Um Gottes willen, natürlich«, entgegnete Tannenberg schniefend, dem die enorme Waldbrandgefahr erst jetzt bewusst zu werden schien.
»Wo sind wir denn hier eigentlich?«
»An der ›Alten Schmelz‹. Sag das einfach. Die wissen schon, wo das ist.«
Benny tippte die Notrufnummer der Feuerwehr in sein Handy ein und teilte dem diensthabenden Beamten mit, was passiert war.
Die Scooterfahrt hinunter ins Tal und am Jagdhausweiher vorbei gestaltete sich aufgrund des übermäßigen Alkoholkonsums der beiden Freunde recht waghalsig. Zur Sicherheit streckte Benny die ganze Zeit über seine Beine wie Stützräder knapp über den Schotterboden, während Tannenberg krampfhaft versuchte, die Schlangenlinienfahrt zu begradigen, was ihm allerdings über weite Strecken hinweg einfach nicht gelingen wollte.
Kurz vor der Einmündung auf die schmale Asphaltstraße schaltete er die Beleuchtung des Rollers aus, verlangsamte die Fahrt und stoppte sofort, als er das lichterloh brennende Reisemobil sah. Einige der nahestehenden Bäume hatten bereits Feuer gefangen.
Als Tannenberg seinen Helm vom Kopf zog, stieg ihm sogleich ein scharfer, beißender Geruch in die Nase. Er drehte sich zu Benny um, der gerade einen wehmütigen Blick hinüber zu seinem geliebten Luxus-Campingbus warf. »Ich denke, es ist besser, wenn man uns nicht zusammen sieht. Vielleicht wars ja doch nur ein Unfall, eine Gasexplosion oder so was.«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, flüsterte Benny, schob sich von der Sitzbank herunter und stellte sich neben seinen Freund. »Wolf, ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist, wenn du dich nachher stellst. Denk noch mal darüber nach. Ich gehe jetzt und warte vorne an der Straße auf die Feuerwehr.«
Er beugte sich zu Tannenberg herunter, umarmte ihn, drückte ihn fest an sich. »Versprichst du mir, dass du dich bei mir meldest, egal was du tust?«
»Ja, Benny, mach ich.« Geräuschvoll zog er die Nase hoch. »Es tut mir alles so unheimlich leid!«
»Was solls! Du kannst ja nichts dafür.« Er warf einen Arm hin zu seinem fast völlig zerstörten Wohnmobil. »Und das Ding da vorne ist ja zum Glück vollkaskoversichert. – Mann, alter Junge, lass dich bloß nicht unterkriegen!«
Tannenberg wartete noch so lange, bis sein holländischer Freund in gebührendem Sicherheitsabstand zum Brandherd im Gestrüpp verschwunden war. Dann setzte er den Integralhelm auf und fuhr los in Richtung des laut knisternden Feuers. Er hatte kaum zehn Meter auf dem Weg dorthin zurückgelegt, als er von Ferne her Feuerwehrsirenen hörte, die schnell näher kamen und schriller wurden.
Plötzlich begann seine innere Stimme, deren Existenz er in den letzten hektischen Tagen schon fast vergessen hatte, wüst auf ihn einzuschimpfen: Was bist du doch für ein jämmerliches Weichei! Willst jetzt schon aufgeben. Und blöd bist du auch noch! Du kapierst nämlich die einfachsten Dinge nicht! Wenn du dich jetzt festnehmen lässt, hast du überhaupt keine Chance mehr! Wie willst du denn diesen hinterhältigen Komplott aufklären, wenn du im Knast sitzt? Die sind doch so mächtig, dass sie dich dort ruckzuck plattmachen.
Der undisziplinierbare Quälgeist tief in ihm drinnen neigte zwar manchmal zu einer etwas rustikalen, unverblümten Sprache. Inhaltlich lag er jedoch meist gar nicht so falsch.
9
Tannenberg gab sich geschlagen. Als Dank dafür zündete in seinem alkoholvernebelten Hirn sogleich eine folgenreiche Idee.
Nachdem er von seiner sicheren Spähposition aus das nächtliche Geschehen noch ein paar Minuten lang beobachtet hatte, wendete er den unbeleuchteten Motorroller und fuhr vorsichtig über den nur von fahlem Mondlicht beschienenen Schotterweg zurück zum Jagdhausweiher. Seiner Erinnerung nach existierte nur unweit des westlichen Uferrandes eine schmale Holzbrücke, auf der man den Aschbach überqueren konnte.
Ein fast durchgängig mit niedrigem Gras bewachsener Waldweg führte ihn auf der anderen Seite des engen Tals entlang zur Landstraße. An der Weggabelung
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