Wolfsfeder
den Lehrer?«, fragte Maike
Schnur, während sie das Auto über die einsame Landstraße lenkte. Sie befanden
sich in einer gottverlassenen Gegend irgendwo zwischen Heese und Endeholz. »Den
Joachim Pagel aus Eschede?«
»Genau den. Braucht ihr die Adresse?«
»Nein. Hab die Liste der Jäger dabei.
Auftrag wird erledigt. Oder, Robert?«
Mendelski ließ sich Zeit mit der Antwort.
»Aber erst heute Nachmittag«, sagte er mürrisch. »Den Vormittag über haben wir
volles Programm. Sag mal, Ellen, gibt es schon Neuigkeiten von der Grote oder
aus dem Labor?«
Als Antwort rauschte es nur im Handy.
»Meinst du nicht«, sagte Ellen Vogelsang
nach einer Kunstpause, in der sie – da war sich Maike Schnur sicher –
die Augen genervt gen Bürodecke verdreht hatte, »dass ich euch dann sofort
davon in Kenntnis gesetzt hätte?«
»Hmm«, gab Mendelski kleinlaut von sich.
»Da hast du auch wieder recht.«
* * *
»Und von Todesursache und -zeitpunkt
haben sie nichts gesagt?« Kai schob den Zucker über den Küchentisch. Die
dunklen Ränder unter seinen Augen und die roten Augenlider zeugten von einer
durchwachten Nacht.
»Nein, kein Sterbenswörtchen – nicht
mal ‘ne Andeutung«, erwiderte Finn, während er zwei gehäufte Löffel Zucker in
seinem schwarzen Kaffee versenkte. »Die kommen schließlich von der Kripo aus
Celle. Das sind Profis, keine Dorfsheriffs.«
»Aber sie hatten doch eine Ärztin im Wald,
da werden sie doch in etwa wissen, ob es ein Unfall oder ein Gewaltverbrechen
war.«
»Mag sein.« Finn zuckte mit den Schultern.
»Mir haben sie jedenfalls nichts verraten. Außerdem wollte ich es gestern auch
gar nicht wissen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, gestern stand ich ziemlich unter
Schock, als ich von Yadiras Tod erfuhr.« Finn schaute Kai direkt an. Dann
presste er heraus: »Das hat verdammt wehgetan.« Ihm stiegen die Tränen in die
Augen.
Kai hielt mit beiden Händen die Tischkante
umklammert und blickte seinen Freund an. Er brachte kein Wort hervor.
»Deshalb habe ich mich auch nicht bei dir
gemeldet«, fuhr Finn nach einer Weile fort. Er schniefte verdächtig. »Heute
aber, mit etwas Abstand, da krieg ich richtig Wut im Bauch. Ich meine, wir
müssen selbst was machen.«
»Das wird aber auch Zeit.« Kai erhob sich
von seinem Stuhl, ging zum Fenster und starrte in den Garten hinaus. »Diese
Drohbriefe«, sagte er mit zitternder Stimme. »Warum ist Yadira damit nicht zu
mir oder meiner Schwester gekommen? Warum hat sie die ausgerechnet dir
gegeben?«
Finn schwieg.
»Hatte sie denn kein Vertrauen zu uns? Wo
wir sie so gastfreundschaftlich aufgenommen haben?«
»Ganz im Gegenteil.« Finn stand ebenfalls
auf und trat neben Kai ans Fenster. »Sie wollte euch mit dieser Angelegenheit
verschonen«, sagte er. »Eben weil ihr schon so viel für sie getan habt. Das Ganze war ihr
sehr unangenehm.«
Kai fuhr herum und boxte Finn mit voller
Wucht gegen den Oberarm. »Das war immerhin ‘ne Morddrohung!«, schrie er. »Und,
wie wir jetzt wissen, leider nicht nur ‘ne Drohung, sondern bitterböser Ernst.
Warum hast nicht wenigstens du was unternommen?«
Obwohl sein Arm höllisch schmerzte, blieb
Finn regungslos. »Weil sie es nicht wollte«, sagte er kaum hörbar. »Yadira
hatte da einen Verdacht, glaube ich.«
»Einen Verdacht?«
»Hat sie dir nie erzählt, warum sie von
den Stadlers in Eldingen fortwollte?«
In diesem Augenblick ließ ein Klirren sie
zusammenzucken. Beide drehten sich um und sahen zur Speisekammertür hinüber,
die eine Handbreit geöffnet war. Sie schauten sich stirnrunzelnd an. Kai wollte
sich gerade auf den Weg machen, um nach dem Rechten zu sehen, als Maya mit
erhobenem Schwanz durch den Türspalt geschlüpft kam. Die dreifarbige Katze
miaute und mimte die Verhungerte, während sie Kai verführerisch um die
Hosenbeine strich.
»Nein, jetzt gibt es nichts«, erwiderte
Kai, indem er die Speisekammertür zuzog. »Du wirst zu fett.«
Dass sich noch jemand in der Speisekammer
verbergen könnte, der partout unentdeckt bleiben wollte, kam Kai nicht in den
Sinn.
»Du meinst also, dass der
Stadler dahinterstecken könnte?«
Sie hatten wieder am Küchentisch Platz
genommen. Kai schlug mit der Faust derart heftig auf die Tischplatte, dass Maya
mit einem entsetzten Fauchen das Weite suchte.
»Dieses Schwein! Er sollte sich lieber um
seine Frau und seine beiden Kinder kümmern.«
»Er hätte jedenfalls so was wie ein
Motiv«, erwiderte Finn. »Zurückgewiesene Zuneigung, verletzte
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