Wolfsfeder
waren sie zunächst zum Gut
Sunder gefahren, um dort die beiden jungen Leute zu befragen. Das Paar habe
einen sehr niedergeschlagenen Eindruck gemacht, berichtete Strunz, und im
Wesentlichen die Aussagen von Kai Kreinbrink und Finn Braukmann bestätigt. Sie
hätten leider keine weiteren sachdienlichen Aussagen zum Tod von Yadira machen
können.
Danach waren Strunz und Kleinschmidt nach
Eschede gefahren. Nach einer Lagebesprechung in der örtlichen Polizeistation an
der Uelzener Straße hatten sie, unterstützt von den Kollegen aus Eschede, mit
der Befragung der direkten Nachbarn und weiterer Bewohner der Straße, in der
die Kreinbrinks wohnten, begonnen. Die Leute dort hatten alle erklärt,
vorgestern Nacht tief und fest geschlafen und nichts Außergewöhnliches bemerkt
zu haben.
Lediglich eine der befragten Personen
hatte etwas auszusagen gehabt. Eine dreiundneunzigjährige Frau, die direkt an
der Feldmark wohnte, litt unter Schlafstörungen und hatte deswegen nicht
schlafen können. Sie meinte, gegen zwei Uhr in der Nacht ein für diese Gegend
ungewöhnliches Geräusch vernommen zu haben. Ein Geräusch, das sie zuletzt als
junge Frau – sie stammte aus einem kleinen Dorf bei Insterburg in
Ostpreußen – in Vollmondnächten gehört hatte.
Jo Kleinschmidt präzisierte: »Sie glaubte,
das Heulen eines Wolfes gehört zu haben.«
»Das Heulen eines Wolfes?« Maike Schnur
warf den Kopf herum und schaute Mendelski zweifelnd an. »Das wird ja immer
verrückter!«
»Ich nehme an, sie hat einen jaulenden
Hund gehört«, erklärte Strunz rasch. »Wisst ihr, das ist eine alte Frau, die
allein lebt und ein bisschen wunderlich wirkt. Ich glaube, wir können ihre
Aussage vernachlässigen.«
»Von den jüngst eingewanderten Wölfen hier
in der Gegend steht ja jeden Tag was in der ›Celleschen‹.« Kleinschmidt grinste
vielsagend. »Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken.«
»Oder reichlich Phantasie.«
»Wir sollten trotzdem nichts übereilen«,
warf Mendelski ein. »Wie ihr vorhin bemerkt habt, hatten wir auch gerade das
Thema Wolf. Was für ein Zufall, nicht wahr? Lasst mich mal kurz
berichten …« Er schilderte in knappen Worten den Vormittag: den Besuch in
Eldingen und das sehr wahrscheinliche Ausscheiden des Matthias Stadler aus dem
Verdächtigenkreis, das aufschlussreiche Gespräch mit Kai und Finn und die
mögliche Deutung des Z-Zeichens vom Waldboden als sogenannte Wolfsangel.
»Also eventuell doch ein rechtsradikaler
oder, präziser ausgedrückt, fremdenfeindlicher Hintergrund«, bemerkte Strunz
nachdenklich. »Das wird Steigenberger überhaupt nicht gefallen.«
»Irgendwas stört mich daran.« Missmutig
stocherte Mendelski mit dem Teelöffel in seiner leeren Espressotasse herum.
»Ich weiß nur nicht, was. Die Verhaltensmuster der Rechten sind anders …«
»Wolfsangel?«, fragte Kleinschmidt nachdenklich.
»Ist das vom Ursprung her nicht eine altgermanische Rune?«
»Da ist man sich nicht ganz einig …«
Mendelski stockte und hob seine linke Hand, während seine rechte in die
Hosentasche fuhr. Wenig später hielt er ein vibrierendes Handy in der Hand.
»Mendelski? – Ja, Ellen. Was gibt’s? – Schieß los.« Der Kommissar
lehnte sich zurück und lauschte in sein Mobiltelefon. Die anderen schwiegen
gespannt.
Fünf Minuten später steckten vier
Personen, drei Männer und eine Frau, im »Deutschen Haus« die Köpfe über dem
Tisch zusammen. Der Älteste von ihnen wiederholte mit unterdrückter Stimme, was
ihm soeben am Telefon berichtet worden war.
SECHS
Der Airbus 340 der Iberia hatte
kaum von der Betonpiste in Las Americas, dem internationalen Flughafen von
Santo Domingo, abgehoben und war noch im Begriff, sein Fahrwerk einzufahren, da
überflog die Maschine auch schon das offene Meer.
Trotz des rauen Seewindes war es ein
ruhiger Start. Flug Nummer IB 3500 konnte idealerweise direkt gegen den Südwind anfliegen.
Und doch war ihr mulmig zumute. Stocksteif und angespannt saß sie in ihrem
Sitz. Mit beiden Händen umklammerte sie den kleinen Glücksbringer am Lederband
um ihren Hals.
Es war ihr erster Flug in einem so großen
Düsenflugzeug. Mit einer einmotorigen Propellermaschine war sie schon einmal
geflogen.
Ramón, der beste Freund ihres großen
Bruders, hatte sie letztes Jahr in seiner Cesna zu einem Arbeitseinsatz
mitgenommen. Zu einem viertelstündigen Flug, um über den weitläufigen
Baumwollfeldern im Cibao-Tal Pestizide zu versprühen. Ramón, der alte Macho,
war
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