Wolfsfeder
hat ihren Ursprung in der germanischen Mythologie. Ich bin in der Neuzeit:
Ende des Zweiten Weltkrieges gab es eine Freischärlerbewegung in Deutschland,
die sich Werwolf nannte. Die haben Attentate, Anschläge und Sabotageakte gegen
die alliierten Besatzungsmächte verübt.«
»Ich erinnere mich dunkel«, ließ Maike
verlauten. »Elfte Klasse, Geschichts-Leistungskurs bei Frau Eichhorn. Hatte
Hitler nicht ebenfalls ein Faible für den Wolf?«
»Bravo.« Mendelski nickte anerkennend.
»Hast gut aufgepasst. Ja, wegen seines Vornamens. Adolf kommt von Adelwolf,
übersetzt: der edle Wolf, das deutete jedenfalls Hitler so. Deshalb hat er
seine Hauptquartiere an der Ostfront auch Wolfsschanze, Wolfsschlucht und
Werwolf genannt.«
»Und Wolfsburg?«
»Wolfsburg?« Das Echo kam aus der Tiefe
des Raumes. Eine zweite Stimme prophezeite düster: »Die verlieren heute
haushoch gegen 96.«
Ohne sich umzudrehen, stöhnte Maike Schnur
auf. Nachdem der Schreck verflogen war, schimpfte sie los: »Heiko und Jo! Liebe
Kollegen, geht’s nicht ein bisschen diskreter?«
* * *
Schon wieder ein Auto. Konnte
man denn nicht mal in Ruhe sein Mittagsschläfchen halten? Hier war ja heute ein
Verkehr wie auf der B191.
Karl-Heinz Jagau hatte sich aufgerichtet,
um besser sehen zu können. Dabei schraubte er die Rückenlehne des Fahrersitzes
zurück in die Senkrechte.
Jetzt habe ich mir für die Mittagspause
schon einen der einsamsten Waldwege und eine noch einsamere Parklücke in einem
dichten, schlecht einsehbaren Douglasienhorst ausgesucht, schimpfte er
innerlich, und da kommt doch tatsächlich ein Störenfried daher.
Es war nicht von Bartling – zum
Glück, denn er hatte die Pause schon um zwanzig Minuten überzogen –, und
es war auch nicht der Pagel. Deren Autos kannte er mittlerweile recht gut.
Es war ein grüner VW Caddy, der da auf dem schlechten Sandweg angehoppelt
kam, einer dieser Möchtegern-Pick-ups, wie Jagau in Gedanken hämisch
kommentierte.
»So ein Auto fährt in Eschede doch nur
einer«, murmelte der Forstwirt, während er nach dem Fernglas auf der Rückbank
tastete. Kurz darauf hielt er das Okular vor die Augen und musterte
interessiert das Fahrzeug, das in weniger als dreißig Meter Entfernung sein
Versteck passierte.
»Tatsächlich, Rolf Wiegand.« Karl-Heinz
Jagau wunderte sich nicht wenig. »Was macht denn der hier im Forst?«
Jagau kannte den Wiegand zwar schon recht
lange, aber nicht besonders gut. Vor seiner Forstwirtschaftslehre hatte er ein
Praktikum im Garten- und Landschaftsbau gemacht und dabei einen
Motorsägenlehrgang bei der Deula absolviert – zusammen mit dem damals
frisch gebackenen Gärtner Wiegand, der denselben Kurs besuchte.
Später waren sie sich immer wieder auf
verschiedenen Drückjagden über den Weg gelaufen, auf denen beide als Treiber
tätig waren. Soweit Jagau wusste, hatte Wiegand versucht, den Jagdschein zu
machen, war aber gescheitert – man munkelte, es würde am überstrengen
Prüfer Joachim Pagel liegen. Jedenfalls war Wiegand danach auch als Treiber nie
mehr in Erscheinung getreten.
Grünschnitt, den er illegal im Wald
entsorgen wollte, hatte der Gärtner nicht geladen, stellte Jagau erleichtert
fest. Die Ladefläche des Caddy war leer.
»Er hat mich nicht gesehen. Ist vielleicht
auch besser so.« Karl-Heinz Jagau setzte das Fernglas ab und schaute dem Wagen
mit bloßen Augen hinterher. Er kam ins Grübeln.
Wem würde er heute wohl noch im Wald
begegnen?
* * *
Nachdem Heiko Strunz und Jo
Kleinschmidt Platz genommen und eine Kleinigkeit zu essen bestellt hatten, zog
Strunz ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Brusttasche. »Ein Fax vom Innenministerium
in Hannover«, sagte er und reichte das Blatt an Mendelski weiter. »Die machen
Druck. Das Dominikanische Konsulat hat sich an sie gewandt, mit der Bitte um
unverzügliche Aufklärung des Falls Yadira Martinéz. Hannover hätte nun gern so
rasch wie möglich gewusst, ob ein Unfall oder ein Gewaltverbrechen vorliegt.
Und ob wir Hilfe vom LKA benötigen.«
»Immer diese Hetze«, knurrte Mendelski.
Ohne sich das Papier anzuschauen, legte er es beiseite. »Erzähl mal lieber von
euren Nachforschungen heute Vormittag.«
Strunz und Kleinschmidt hatten, bevor sie
in Celle losgefahren waren, bei Hanno Stucke und Mira Köhne angerufen, um ihren
Besuch anzumelden. Dabei hörten sie, dass die Freunde von Yadira, Kai und Finn
sich nicht in Eschede, sondern in Meißendorf bei einem NABU -Seminar aufhielten. Also
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