Wolfsfeuer (German Edition)
sie mit ausreichend Wärme versorgt, um der extremen Kälte zu trotzen. Doch in ihrer menschlichen Gestalt waren sie anfälliger, und obwohl Erfrierungen heilten, würden sie dies erst nach dem nächsten Mondaufgang vollständig tun. Ein Tag mit Erfrierungen an empfindsamen Gliedmaßen wäre kein sehr erfreulicher Tag.
»Bitte begrüßt Alexandra Trevalyn«, wandte er sich an die Dorfbewohner. »Alex. Sie ist jetzt eine von uns.«
Er spürte den überraschten Blick, den Alex ihm zuwarf. Hatte sie gedacht, dass er ihre Vergangenheit enthüllen würde? Wenn sein Rudel wüsste, dass sie die Jägerin war, die seine Frau getötet hatte, wäre das ihr Ende.
Aber hätte er ihren Tod gewollt, hätte er sich selbst darum gekümmert. Bevor er sie zu einem Werwolf gemacht hatte.
Alle umringten sie, um sie willkommen zu heißen. Die Rudelmitglieder suchten körperlichen Kontakt zu ihr, und das machte Alex nervös. Julian verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie sie versuchte, nicht zurückzuzucken.
Eine plötzliche Erkenntnis traf ihn wie ein Faustschlag. Da er ursprünglich nicht geplant hatte, sie hierher zu bringen, hatte er nichts von dem Serum mitgenommen, das sie in die Lage versetzen würde, einen anderen als ihn in menschlicher Gestalt zu berühren. Was bedeutete, dass sie sich vor Schmerzen auf dem Boden wälzen müsste – zusammen mit jedem, der sie angefasst hatte.
»Genug!«, donnerte er.
Seine Leute drehten sich verdattert zu ihm um. Ein neues Rudelmitglied willkommen zu heißen bedeutete, seinen Geruch kennenzulernen, mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen und ihm das Gleiche zu gestatten. Sie glaubten, dass Alex – so wie sie alle – ihre Medizin genommen hatte. Warum also mischte Julian sich ein?
Da er ihnen nicht sagen konnte, dass gerade etwas höchst Eigenartiges passierte, beschloss er, ihnen gar nichts zu sagen.
»Ella.« Julian wandte sich an die älteste Frau im Rudel – eine dunkelhäutige, gertenschlanke Französin, die in etwa so alt zu sein schien wie Alex, in Wahrheit jedoch während la révolution nur mit knapper Not der Guillotine entronnen war. »Hilf ihr, sich zurechtzufinden.«
Ella kam mit ausgestreckter Hand auf Alex zu. Diese runzelte die Brauen und starrte auf Ellas Finger, als hätte sie keinen Schimmer, was die Frau von ihr wollte. Doch sie zeigte keine Angst. Offenbar war ihr klar geworden: Wenn sie Julian berühren konnte, galt das auch auf für jeden anderen.
Trotzdem wich Alex mehrere Schritte zurück. »Ich, ähm, bin sofort wieder da.« Sie löste sich aus der Gruppe und stakste zu Julian. »Wo werde ich wohnen?«
»Bei Ella.«
»Aber ich … « Sie biss sich auf die Lippe. »Ich habe sie gerade erst kennengelernt.«
»Genau wie alle anderen.«
»Außer dir.«
Julian blinzelte. »Du willst bei mir wohnen?«
»Wollen wäre zu viel gesagt«, erwiderte sie im selben Moment, als er hinzusetzte: »Das wäre nicht klug.«
»Wegen gestern?«
Noch während die Worte aus ihrem Mund schlüpften, erinnerte Julian sich an den Geschmack dieses Mundes, daran, wie er sich an seinem Körper angefühlt hatte, an ihren Duft, der ihn umhüllt hatte, und sein Penis regte sich.
» Faen «, murmelte er. » Scheiße! « Er war nackt. Wenn er jetzt eine Erektion bekäme …
Er wollte es sich lieber nicht ausmalen. Tatsächlich sollte er es sich lieber nicht ausmalen, sonst würde er definitiv eine bekommen.
Sie zog die Brauen hoch, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, das andeutete, dass sie genau wusste, was in ihm vorging. »Und wenn ich verspreche, nicht über dich herzufallen?«
»Du gibst also zu, dass du über mich hergefallen bist ?«
»Nein.«
Die Belustigung, die ihr Trotz bei ihm auslöste, wich gleich darauf dem Ärger über seine eigene Reaktion als auch über den Anblick ihres Gesichts. Wie war es möglich, dass er sich in jeder Minute eines jeden Tages gleichzeitig zu ihr hingezogen und von ihr abgestoßen fühlte? Er wollte sie an den Schultern packen und durchschütteln, dann wieder wollte er sie auf den Boden werfen und sie nehmen.
»Ella«, fauchte Julian und stapfte davon, ohne seinen Befehl zu wiederholen. Damit hätte er sich ein Anzeichen von Schwäche gegeben, und das durfte es sich nicht erlauben.
Nur weil er ihr Anführer war – und das seit fast einem Jahrhundert – , schloss das nicht aus, dass einer seiner Wölfe ihn herausfordern könnte, wenn sich die Gelegenheit bot. Julian war es gelungen, den Frieden zu wahren, weil er der
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