Wolfsfeuer (German Edition)
Julian vergrub die Hände in den Hosentaschen und zeigte plötzlich ein reges Interesse an der Zimmerdecke. »Sie lag blutend vor mir. Was hätte ich denn machen sollen?«
»Du hast selbst gesagt, dass wir nicht alle retten können.«
»Das stimmt, trotzdem war da etwas an ihr … «
Dieses winzige Detail, dass sie die Mörderin meiner Frau ist .
»Warte kurz«, unterbrach Cade ihn. »Du warst in L. A.?«
»Und?«
»Du hast in L. A. einen Wolf erschaffen? Eine Stadt so groß wie Festland-China, nur eben in einen Schuhkarton gestopft? Du weißt, wie sich ein neuer Wolf nach seiner ersten Verwandlung gebärdet.« Missmutig durchquerte er das Zimmer. »Er tötet alles und jeden. Überall. Ohne Unterschied.«
Cade fuhr seinen Laptop hoch, gab ein paar schnelle Befehle ein, dann linste er auf den Monitor. »Keine Massenmorde mit unbekannten Tätern. Keine Rudel wilder Hunde in den Vorstädten. Keine räuberischen Kojoten aus den Bergen, die über unschuldige Vorschulkinder herfallen.«
Die Brauen gehoben, ließ Julian seinen Bruder weiterschwadronieren. Manchmal war das das Beste.
Cade fuhr fort zu scrollen und zu klicken, zu googeln und zu suchen, dabei driftete sein Geplapper immer wieder ins Norwegische ab.
»Aha!« Cade deutete auf den Bildschirm. »Polizeibekannter Kinderschänder mit aufgerissener Kehle in einer heruntergekommenen Gegend von L. A. aufgefunden. Keine Verdächtigen.« Er warf Julian einen vielsagenden Blick zu. »Das stinkt geradezu nach dir.«
Julian gab keine Antwort. Cade hatte recht.
»Bloß dass … « Er tippte nachdenklich mit dem Fingernagel auf den Bildschirm. »Wenn du diese Frau im Sterben liegend vorgefunden und gebissen hast und sie sich daraufhin verwandelte, hätte sie völlig ausgehungert sein müssen. Wann hattest du die Zeit, einen Kinderschänder aufzutreiben, um ihn ihr zum Mittagessen zu servieren?«
Gute Frage.
Cades Augen wurden schmal. »Fast hat es den Anschein, als hättest du das Ganze geplant.«
Sein Bruder war klüger, als gut für ihn war. Wahlweise für Julian.
»Ich musste nichts planen«, wiegelte er ab. »Ich bin ein magisches Wesen, schon vergessen?«
»Das ist deine Antwort auf alles.«
»Es ist eine ziemlich gute Antwort.«
Julian wartete darauf, dass Cade ihn einen Lügner schimpfte, doch das geschah nicht. Er konnte nichts beweisen, und warum sollte Julian lügen?
»Diese Frau«, fuhr Julian fort. »Ich hatte nicht die Absicht, sie zu einem Wolf zu machen.«
Lügner!
»Deshalb hatte ich auch nichts von deinem Serum dabei, um es ihr einzuflößen.« Er sprach immer lauter, um die anklagende Stimme in seinem Kopf zu übertönen. Cade runzelte die Brauen. »Aber als wir vorhin im Dorf ankamen und die anderen sie willkommen hießen, bekam niemand Kopfschmerzen.«
»Das ist unmöglich«, brummte sein Bruder.
»Aber es war so.«
»Wer ist diese Frau?«
»Ihr Name ist Alexandra Trevalyn. Aber nun zurück zum Thema.« Julian runzelte die Stirn. »Du hast von so etwas noch nie gehört?«
»Nein, noch nie.« Cade wandte sich wieder dem Computer zu, gab ein paar neue Befehle ein und tippte drauflos. »Bring sie her. Ich brauche eine Blutprobe von ihr.«
Julian seufzte. Er hatte gehofft, dass Cade eine wissenschaftliche Erklärung parat haben würde, um seine Nerven zu beruhigen, oder zumindest sagen würde, dass er die Ursache zwar nicht kenne, jedoch schon hundertmal von dem Phänomen gehört habe.
Leider vergeblich.
Ella nahm Alex am Arm, ohne ihr überraschtes Zusammenzucken zu registrieren. Niemand schien es seltsam zu finden, dass sie sich berühren konnten, und nachdem sie selbst auch Julian hatte berühren können, vermutete sie, dass dies nur einer der vielen Aspekte war, in denen sich Barlows Wölfe von anderen unterschieden.
Alex war es nicht gewohnt, so oft und so beiläufig angefasst zu werden. Sie hatte acht Jahre allein gelebt. War immer in Bewegung geblieben. Ohne Freunde, ohne Familie. Sie hatte wenig Anlass gehabt, überhaupt jemanden anzufassen. Vor allem nicht eine splitterfasernackte Frau, die sie gerade erst kennengelernt hatte.
»Herzlich willkommen«, sagte Ella. »Wir haben nicht oft Neuzugänge.«
Während sich der Rest des Rudels in alle Himmelsrichtungen zerstreute, führte die Frau Alex über den Platz zu einer Seitenstraße, die der, in die Julian verschwunden war, genau gegenüberlag. War seine Wahl nur deshalb auf Ella gefallen, weil ihr Zuhause am weitesten von seinem entfernt war?
»Tatsächlich?« Alex
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