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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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größten Saal, wo er bereits dabei war, Bücher für Jakov zusammenzustellen. Wir hatten beschlossen, ihm ein Buchpaket vorbeizubringen, da er weder Fernseher noch Radio in seinem Zimmer hatte. Aus irgend-einem Grund brachte er es nicht über sich, nachts sein Zimmer zu verlassen, mit den Valentins fernzusehen oder mit ihnen zu Abend zu essen. Ich hielt es für ein einigermaßen gutes Zeichen, dass Istvan es zumindest bemerkt hatte und versuchte Jakov den Aufenthalt etwas gemütlicher zu gestalten.
    „Hi. Ich komme etwas spät. Entschuldige. Aber ich musste noch mit Malz telefonieren. Nichts allzu Aufregendes“, begrüßte ich ihn überfallsartig und war wieder dabei, ihm nicht zu lange in die Augen zu sehen.
    „Schon in Ordnung. Ich musste sowieso noch nachsehen, welche Bücher ich entbehren kann und welche auf keinen Fall die Schwelle der Bibliothek verlassen werden, um ihn Jakovs Chaos unterzugehen“, scherzte er und deutete darauf hin, dass sich sein Halbbruder als fürchterlicher Chaot entpuppte, der nichts vom Aufräumen oder Möbeln im Allgemeinen hielt. Er hauste fast wie ein Bettelstudent.
    „Er ist eben mehr der Hemingway-Typ“, warf ich grinsend ein. Istvan lächelte schwach zurück.
    „Hemingway“, ging es ihm auf, „ja, genau. Das passt“, murmelte er noch, bevor er in den Englischen Saal verschwand, um zwei seiner Bücher zu holen. Er kam mit den in Leder gebundenen Werken zurück und legte sie in den braunen Karton, den ich auf einem der Schreibtische zusammengestellt hatte.
    „Was denkst du? Moby Dick , ja oder nein?“, fragte ich nach seiner Meinung und war mir eigentlich sicher, dass es Jakov gefallen könnte.
    „Definitiv, ja. Wer solange mit cholerischen Werwölfen zusammenleben musste, dürfte sich auf Kapitän Ahabs Schiff ganz wohlfühlen“, scherzte Istvan ironisch, ohne die Bitterkeit zu verbergen.
    So ging es fast eine Stunde. Jeder von uns schlug ein Buch vor und gemeinsam entschieden wir, ob es in den Jakov-Karton kam oder nicht. Schwierig wurde es erst, als ich plötzlich, wie konnte ich nicht genau sagen, eine Ausgabe von Jack Londons ‚ Ruf der Wildnis ‘ in der Hand hielt, nachdem schon ‚ Der Seewolf ‘eingepackt war. Mit fragendem Blick sah ich Istvan an, dessen grüne Augen zweifelnd aufleuchteten.
    „Vielleicht versteht er es ja falsch. Auch wenn ich nicht sein größter Fan bin, möchte ich ihn nicht vor den Kopf stoßen. Ich … Wir brauchen ihn noch“, gab Istvan merkwürdig schuldbewusst zu.
    „Ja, aber er könnte es auch als eine Geste des guten Willens betrachten, wenn du ihm einen Wink gibst“, deutete ich mit dem Buch in der Hand an. Istvan zog die Stirn kraus. Er verstand mich nicht recht, deshalb ging ich zum anderen Schreibtisch, holte eines der Lesezeichen heraus, auf das er den Namen der Bibliothek samt Öffnungszeiten hatte drucken lassen, und legte es in das Buch, um die bewusste Seite zu markieren. Dann überreichte ich es ihm und konnte mir dabei ein wenig Pathos nicht verkneifen, weil ich meinen Einfall ziemlich clever fand. Er nahm das dünne Büchlein in die Hand und öffnete es an der entsprechenden Stelle. Das Kapitel mit der Überschrift Um die Liebe eines Menschen sprang ihm förmlich in die Augen, die sich etwas weiteten, als er meine Absicht zu verstehen begann. Er nickte langsam und bedächtig, dann meinte er:
    „Gut, dass ich mich in ein so kluges Mädchen verliebt habe … Gut für mich“, flüsterte er und berührte dabei zärtlich meine Wange und die Stelle hinter meinem Ohr.
    „Gut für mich, dass du eine Schwäche für mich hast“, stammelte ich verlegen, bevor ich den London-Klassiker ganz oben auf die Kiste tat. Er wünschte sich jetzt von mir geküsst zu werden, das spürte ich ganz deutlich. Aber ich konnte es nicht. Es wäre kein reiner Kuss gewesen, der das wundervolle Gefühl für ihn ausgedrückt hätte. Sondern ein Kuss, der mir ins Gedächtnis gebracht hätte, dass ich den wundervollsten Mann auf der Welt, den ich liebte, belog. Also lächelte ich gezwungen, schnappte mir den Karton und ging eilig in Richtung Tür.
    „Wir sollten uns beeilen, bevor die Leute von der Arbeit nach Hause kommen. Sonst müssen wir noch getrennt fahren“, erinnerte ich ihn und köderte Istvan damit. Denn ich wusste, er wollte gemeinsam mit mir fahren.
    „Du hast recht. Aber darf ich den schweren Karton tragen, Joe?“, fragte er in einem verhaltenen Befehlston.
    „Keine Chance“, zischte ich abweisend. Ich kam mir schon unnütz

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