Wolfsfieber - Band 2
genug vor in der Gegenwart der starken, übermäch-tigen Valentins.
„Das ist kein Mann-Frau-Ding“, seufzte er genervt. „Ich bin einfach nur um ein Vielfaches stärker als du. Also bitte, lass mich das nehmen“, sagte er, seine unwiderstehliche Samtstimme absichtlich gebrauchend. Es war so unfair von ihm. Dieser Stimme konnte man nicht widerstehen, ich schon gar nicht.
„Weil du es bist“, lamentierte ich und übergab mit einem Ächzen die schwere Kiste.
Wir gingen sofort in das Garagenappartement zu Jakov. Ein Vorteil der Werwölfe? Man muss sich nie anstandshalber anmelden, denn jeder weiß sowieso, ob man hier ist oder nicht. Der große Raum hatte keine Fortschritte zu verzeichnen. -Seine Klamotten, ein Sammelsurium aus T-Shirts, Kapuzenshirts und Jeans, die Istvan für ihn besorgt hatte, lagen verstreut auf dem Boden oder über den Holzstühlen. Es war so offensichtlich, dass Jakov nicht gewohnt war, in einem richtigen Haus zu wohnen. Das Feldbett, das Istvan aus dem Weinkeller hergebracht hatte, war von Jakov einfach in die hinterste Ecke des Raums geschoben worden. Er machte sich nicht einmal die Mühe, es zu beziehen. Die Kissen und Decken lagen roh darauf. Der Schreibtisch, der schon zuvor hier gestanden hatte, ebenso wie die zwei Kommoden wirkten mehr als verwaist. Schließlich war Jakov mit nichts als seinem nackten Leben hierher gekommen. Ein trister Anblick, den ich versuchte, so gut es ging zu ignorieren. Istvan trat durch die Tür, nachdem er kurz geklopft hatte, sah sich kurz mit angehaltenem Atem um und wir entdecken Jakov auf dem Bett lümmelnd. Fast hätte er verloren gewirkt, wäre nicht dieser leicht lässige, aufmüpfige Ausdruck auf seinem Gesicht gewesen.
„Mal wieder ihr zwei“, begrüßte er uns. Ich wusste nicht, was diese als Begrüßung getarnte Bemerkung bedeuten sollte.
„Ja, wir schon wieder“, ätzte Istvan ebenso gezwungen lässig zurück.
„Wäre dir ein anderer Besuch lieber?“, fragte er Jakov schnippisch.
„So war’s nicht gemeint. Ich bekomme nur langsam das Gefühl, dass ich so was wie eure tägliche gute Tat bin“, meinte er bitter.
„Ich fürchte, da musst du durch“, versuchte ich seinen bitteren Humor aufzunehmen.
„Scheint so“, murmelte er. „Bei euch macht es mir gar nicht so viel aus, aber bei …“, begann er und brach schnell wieder ab.
„Bei?“, versuchte ich zu helfen. Istvan beobachte ihn aufmerksam.
„Bei Serafina ist es mir unangenehm . Sie fragt mich ständig, wieso ich ihrer Familie aus dem Weg gehe, wieso ich nicht mit ihnen zu Abend esse. Und, und, und“, sagte er gekränkt. „Sie muss doch merken, dass es für mich nicht so einfach ist“, fügte er erklärend hinzu.
„Wegen Woltan?“, fragte Istvan nach und blieb angespannt.
„Unter anderem. Mit Marius komme ich ganz gut aus. Mit ihm ist es einfach. Man spielt eine Runde Karten mit ihm, verliert ein paar Mal erbärmlich und schon ist man sein Kumpel. Aber Woltan sieht mich immer an, als wollte er mich von seiner Schuhsole kratzen. Valentin ist ständig gezwungen, zwischen uns zu vermitteln. Das macht es nicht besser. Wie könnte ich da einfach abends hingehen und mit einer zusammengehö-rigen Familie einen Film sehen. Das geht doch nicht. Ich gehör da nicht hin. Ich gehöre nicht dazu. Ich gehöre nirgendwo hin, nirgends dazu“, klagte er lautstark, im Zimmer umhertigernd.
Jakov machte jetzt seinem Ärger und seiner Frustration Luft.
„Tut mir leid, dass du dich hier nicht so wohlfühlst, wie du gehofft hast“, sagte Istvan aufrichtig, klang aber etwas hilflos. Was konnte man da tun? Dann fiel mir wieder unser Mitbringsel ein.
„Vielleicht brauchst du nur ein wenig Ablenkung. Istvan und ich haben dir etwas mitgebracht, das die Nächte etwas kürzer werden lässt und die Langweile vertreibt“, meinte ich und holte zusammen mit Istvan den Karton von der Vortreppe. Jakov sah sich die Bücher genau an, stöberte scheinbar interessiert in den englischen und deutschen, bevor er wieder zu uns aufsah.
„Das war eine gute Idee. Ich habe schon länger keine Bücher in Englisch gelesen.“ Er war gerade dabei etwas zu sagen, als er die Jack-London-Ausgabe entdeckt und etwas irritiert in die Hand nahm.
Jakov schlug sie, genau wie von mir beabsichtigt, an der markierten Stelle auf und las die Überschrift. Kurz sah ich etwas über seine braunen Augen ziehen, das wie Dankbarkeit aussah, aber so schnell verschwand, wie es gekommen war.
„Ich weiß nicht, was ich
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