Wolfsfieber - Band 2
sagen soll, Joe“, begann er verhalten.
„Du irrst dich, wenn du denkst, dass das nur auf mein Konto geht“, sagte ich ihm eindringlich und deutete verstohlen auf Istvan.
„Danke“, sagte er kratzig zu Istvan.
„Gern geschehen“, erwiderte dieser ebenso unbestimmt. Die beiden machten einen auf die Dauer wahnsinnig. So unnachgiebig.
„Haltet ein“, sagte ich übertrieben, „mir wird sonst noch warm ums Herz, bei eurer übermäßigen Gefühlsbekundung“, zischte ich sarkastisch. Es war mir unabsichtlich herausgerutscht.
Beide schenkten mir einen abmahnenden Blick, der sie zum ersten Mal als verwandt erkennen ließ. Sie neigten auf dieselbe Weise den Hals, wenn sie einen strafend ansahen. Der Anblick war merkwürdig und brachte mich ungewollt zum Lachen, was niemand außer mir verstand. Ich wurde nun auch noch mit hochgezogenen Augenbrauen bedacht.
„Wenn ihr euch jetzt sehen könntet, Jungs“, schmunzelte ich, „die Familienähnlichkeit ist frappant.“ Meine letzten Worte wurden geflissentlich ignoriert, in einer stillen Übereinkunft, bevor Istvan das Thema wechselte.
„Was ich dich schon seit Tagen fragen wollte, wieso hast du … haben wir Petre nach Georgien geschickt und Radu in den Ural? Wieso denkst du, dass Farkas in sein Ausbildungslager zurückgekehrt sein könnte?“, frage Istvan ernst.
Sofort war meine Stimmung verflogen und ein krampfender Kloß rührte sich wieder in meinem Magen, jetzt wo die Sprache auf Farkas kam.
„Na ja. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dimitri und Vladimir in den Ural zurückgekehrt sind, aber sobald Farkas klar wird, dass ich ihn verraten habe und ‚Die Drei‘ führerlos sind, wird er nach Georgien gehen müssen. Er braucht einen neuen Jakov , falls ihr versteht“, meinte er bitter und verschwörerisch.
„Du denkst, er will dich ersetzen?“, fragte ich ihn aufgewühlt.
„Ich denke, Jakov will uns damit zu verstehen geben, dass er seine Nachkömmlinge darum kämpfen lassen wird, wer seine nächste rechte Hand wird. Und dieses Mal wird er ihn noch gründlicher aussuchen. Jemand nehmen, der noch brutaler und rücksichtsloser ist“, versuchte mir Istvan zu erklären, während Jakov auf meine Reaktion wartete. Ich konnte nicht richtig reagieren und nickte unbestimmt.
„Wie lange wird es dauern? Ich meine, wie lange werden wir vor einem weiteren Angriff sicher sein?“, fragte ich merkwürdig geschäftlich, obwohl ich Gänsehaut bekam bei der Vorstellung.
„Wir sind auf jeden Fall sicher, bis der nächste Vollmond im Juli vorüber ist, da die Kämpfe um meine Nachfolge nur als Wolf stattfinden dürfen. Sollte er keinen geeigneten Werwolf finden, wird er nach einem Ersatzkrieger suchen oder ihn erst erschaffen müssen. Dann würde es noch mindestens einen weiteren Monat oder sogar länger dauern“, versicherte er mir und sah mich dabei an, als müsste ich mich erleichtert oder getröstet fühlen. Das tat ich auch. Aber seine Andeutung, dass wegen mir, wegen unserer Situation, irgendein Unschuldiger da draußen Farkas Biss zum Opfer fallen sollte, behagte mir gar nicht. Ich versuchte den Gedanken abzuschütteln, aber ein flaues Ziehen im Magen blieb.
„Zumindest haben wir ein paar Wochen Ruhe“, sagte ich zittrig. Meine Stimme klang so weit weg. Istvan bemerkte es, kam zu mir und schlang seinen rechten Arm schützend um meine Hüfte. Die aufziehende Wärme bewirkte, dass das Ziehen nachließ.
Und als ich schon fast so weit war, mich wieder wie ein halbwegs normaler Mensch zu fühlen, musste Jakov ganz unvermittelt eine Frage stellen, die ich nicht hören wollte:
„Wie geht es dir eigentlich mit deinem Problem , Istvan? Taucht es noch auf oder ist es schon weg?“
Sofort versteifte sich Istvan. Seine Finger an meiner Hüfte verkrampften sich merklich. Einen Augenblick lang entstand ein flüchtiger, unangenehmer Moment, besonders weil Istvan merkte, dass ich fast noch mehr verkrampfte als er selbst. Mit eingesogenem Atem antworte er ihm zögerlich: „Nein, es ist noch nicht weg. Es ist noch da. Seit einiger Zeit ist es nicht mehr an die Oberfläche gekommen, aber ich weiß dennoch, dass es noch immer in mir ist“, murmelte Istvan fast tonlos.
Ich fühlte mich schuldig und eine tiefe Traurigkeit setzte sich in mir fest, weil ich ihm nicht sofort sagte, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein könnte, bis es endlich weg sein würde. Sage es ihm?, zischte meine innere Stimme. Jakov hat dir die perfekte Vorlage geliefert, argumentierte sie
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