Wolfsfieber - Band 2
Luft ab, als er mich gewaltsam festhielt.
„Ich musste es Istvan versprechen, Joe“, faselte er entschuldigend. Ich funkelte ihn böse an und versuchte sofort wieder durch das Fernglas zu sehn. Ich stöhnte auf. Sie waren alle weg. Niemand war mehr zu sehen. Was war passiert? Wie konnte sie alle so schnell verschwinden? Verzweifelt blickte ich zu Marius, der alles im Blick behalten hatte. „Nein, nein“, stammelte er aufgebracht. „Er ist nicht … Farkas ist entkommen. Istvan ist ihm hinterher. Serafina, Woltan, Jakov … sie verfolgen die anderen zwei.“ Gequält lächelte er mir zu. Ich musste bleich und elend aussehen, so wie er mich ansah. Nachdem Marius mir alles berichtet hatte, beruhigte sich meine Atmung etwas und Valentin lockerte seinen Klammergriff.
„Bitte, Valentin, ich will hier runter“, bat ich kleinlaut und klang wie ein kleines, verängstigtes Mädchen, was mir gar nicht gefiel. Marius half mir vom Baum zu klettern und Valentin nahm, ohne zu fragen, meine Hand, um mich zu führen. Er wusste, dass es für mich kaum zu ertragen war, nicht zu wissen, was gerade mit Istvan geschah, und dass ich nichts weiter tun konnte, als abzuwarten. Als ich daran dachte, was ihm alles passieren könnte, war es, als würden sich Dornen um mein Herz schlingen und immer fester zudrücken. Wir machten uns zusammen zur Jagdvilla auf. Den ganzen Weg verfluchte ich mich, da ich es war, die sie aufhielt. Nur meinetwegen mussten die anderen auf zwei weitere Kämpfer verzichten. Sich so schuldig zu fühlen, ohne etwas daran ändern zu können, war furchtbar. Wenn Istvan sich Jahrzehnte lang so gefühlt hatte, war es mehr als nachvollziehbar, dass er derart litt. Kurz, nachdem wir die Straße erreicht hatten, hörte ich ein ungeheuerlich lautes Grollen über uns. Als ich hochsah, merkte ich zum ersten Mal, dass es schon längst kein Sommertag mehr war. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel. Noch bevor ich meinen Blick wieder gesenkt hatte, begannen schon die ersten Tropfen zu fallen, die sich im Handumdrehen zu einem starken Regenschauer steigerten. Zu dritt liefen wir das letzte Stück bis zum Haus.
Wir waren klatschnass, als Marius die Tür zur Villa aufstieß. Valentin zog mich zum Wohnzimmer und machte sich daran, den Kamin anzumachen. Um nicht weiterhin unnütz zu sein oder den Verstand zu verlieren, half ich ihm wortlos dabei, das Holz aufzustapeln, während er versuchte, das Feuer anzuzünden. Bald wurde es warm. Aber es würde noch eine ganze Weile dauern, bis unsere Sachen nicht mehr an uns kleben würden. Marius kam herein, noch immer mit dieser Mitleidsmiene für mich, die ihn wie einen älteren Onkel aussehen ließ. Er hatte ein paar Sachen von Serafina in der Hand und legte sie zu mir aufs Sofa. Aber ich wolle mich nicht besser fühlen. Ich wollte nicht, dass ich es jetzt trocken und bequem hatte, während sie da draußen waren in dieser Sintflut, um die Konsequenzen zu tragen für etwas, das ich mir ausgedacht hatte. Ich fühlte mich so elend. Selbst als Valentin, dem ich für sein anhaltendes Schweigen dankbar war, mit einer Tasse Tee kam und sie mir reichte, stellte ich sie unbenutzt neben mich und starrte nur ins Feuer. So lange starrte ich da hinein, dass ich anfing, in den Flammen Muster zu erkennen. Ich glaubte zu sehen, wie ein feuerfarbener Wolf mit einem schwarzen rang, beide die Ohren angelegt und wild knurrend. Immer wieder vermeinte ich zu sehen, wie die schwarze Bestie den Feuerwolf in den Nacken biss. Als Valentin sich zu mir setze und mich damit aus meiner Trance riss, bemerkte ich, dass mir Tränen in den Augen brannten. Aber ich erlaubte ihnen nicht, sich zu lösen. Ich werde nicht weinen, nicht solange ich nicht weiß, was mit ihm geschehen ist. Ich befahl es mir immer wieder. Die Dornenkrallen marterten weiter mein Herz, dennoch erlaubte ich mir nicht, Valentins Trost anzunehmen. Ich konnte förmlich spüren, wie es ihn drängte, mir seine Schulter anzubieten. Das verdiente ich nicht. Ich hatte sie alle in Gefahr gebracht. Wofür? Für die winzige Chance, Farkas zur Hölle zu schicken? Es hätte mir klar sein müssen, dass er nicht ohne ein Ass im Ärmel kommen würde. Ich hätte es wissen müssen.
„Es ist alles meine Schuld, nur meine. Meine Schuld“, wimmerte ich.
Valentin schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. Genau wie ich, starrte er stur ins Feuer. „Doch!“, beharrte ich tonlos.
Jetzt kam auch noch Marius ans Feuer, setzte sich mit -neuen, trockenen Kleidern davor und
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