Wolfsfieber - Band 2
starrte mich an. Ich wich seinen sanften Augen aus. „Das stimmt nicht“, sagte er leise. „Es war eine gute Idee. Wir mussten es versuchen. Lass jetzt den Mut nicht sinken. Vielleicht haben sie es ja geschafft“, sprach er auf mich ein.
Als ich Valentins Stimme hörte, war es so, als wäre sie ganz weit weg. Eine Erinnerung an einfachere Zeiten. „Marius hat recht. Du weißt doch gar nicht, ob der Plan nicht doch funktioniert hat. Wirf jetzt nicht vorzeitig die Flinte ins Korn, nur weil du gesehen hast, dass Farkas Istvan an die Kehle gegangen ist. Er ist stark. Und du bist wahrlich nicht der Typ, der aufgibt, Joe!“
Valentin hatte recht. Ich war keine Frau, die aufgab. Istvan hatte sogar zu mir gesagt, ich wäre eine Kämpfernatur. Er glaubte an meine Stärke, also, wer war ich schon, ihm zu widersprechen.
„Du hast recht, Valentin“, sagte ich so zuversichtlich, wie ich konnte.
„Und Istvan … er wird durch diese Tür kommen. Ob er Farkas erledigt hat oder nicht … aber er wird durch diese verdammte Tür kommen und dann soll er nicht sehen, dass ich geheult habe. Er wird sehen, dass ich an ihn geglaubt habe. Das wird er“, flüsterte ich nickend. Valentin erwiderte mein Nicken leicht lächelnd. Dieses Mal gelang es mir, sein Lächeln zaghaft zu erwidern, und ich trank den lauwarmen Tee. Die Dornenranken in meiner Brust lockerten sich, aber verschwinden würden sie erst, wenn ich in die grünsten Augen blicken konnte, die ich je gesehen hatte.
Eine kleine Ewigkeit später peitschte der dichte Regen noch immer gegen die Fenster, dennoch hörte ich es sofort, als die Tür sich öffnete. Erstaunlich laut fiel der Regen hinter den triefend nassen Heimkehrern auf den Boden. Ich schreckte vom Sofa hoch. Valentin und Marius folgten mir. Sofort als wir uns sahen, stürmten wir aufeinander zu und rissen uns gegenseitig in die Arme. Er lebt! Er lebt! Die Dornen fielen von meinem Herzen ab, als hätte es sie nie gegeben. Selbst so nass war er noch ganz warm und roch herrlich nach feuchtem Wald und Honig. Ich öffnete kurz die Augen, genoss diesen Moment und stellte erleichtert fest, dass es auch allen anderen gut ging. Sie waren nass, aber gesund. Jakov hielt Serafina im Arm. Woltan drückt kurz seinen Vater und Marius klopfte ihm auf die Schulter. Und die ganze Zeit ließ ich Istvan nicht los, krallte meine Finger in seinen Rücken. Ich hatte nicht geheult. Ich hatte ihn wieder, ganz nahe bei mir. Jetzt ging es mir wieder gut, war ich wieder ganz ich selbst, war die Kämpfernatur und nicht das Häufchen Elend.
Sanft schob er mich von sich, damit er mich auf die Stirn küssen konnte.
„Sie hat doch keine gefährlichen Dummheiten versucht?“, fragte er Valentin, als er mir prüfend ins Gesicht sah.
„Nein“, log Valentin, was ihm aber niemand anmerkte. Ich drehte mich um und dankte ihm wortlos. Er war ein echter Freund geworden. Dann sah Istvan mich wieder an. Seine Augen waren ungewöhnlich dunkel und ich konnte nicht sagen, ob es ihm wirklich gut ging.
„Was ist passiert?“, fragte ich ihn und blickte auch zu Serafina, die frustriert zu Boden sah, ebenso wie Jakov.
„Oh, nein“, murmelte ich. Ich ahnte es bereits, aber manche Dinge muss man laut hören, bevor man imstande ist, sie zu glauben.
„Leider doch. Sie sind wieder entwischt. Dabei war es so knapp. So knapp“, stöhnte Istvan, den Arm um mich gelegt.
„Mein Plan war wohl doch nicht so genial, was?“, grollte ich bitter.
„Dein Plan war gut, das Wetter war es nicht. Bei diesem Wolkenbruch ist die Sicht so gut wie null und der Regen verwischt alle Spuren“, erklärte er mir griesgrämig.
„Und eine Witterung zu finden, kannst du auch vergessen“, blaffte Jakov gereizt dazwischen. Woltan und Serafina tauschten einen ihrer typischen Zwillingsblicke aus, bevor Serafina sagte:
„Es war einfach Pech. Niemand kann was dafür. Es hätte genauso gut funktionieren können.“
„Wir hätten mal den Wetterbericht prüfen sollen“, meinte Woltan.
Ich zog Istvan ans Feuer, damit seine Sachen trocknen konnten. Alle folgten uns. Marius setzte sich auf seinen hinteren Fensterplatz. Jakov und Serafina lehnten sich gegeneinander gepresst gegen die andere Fensterbank. Woltan und Valentin zogen sich Sessel heran, um nahe am Feuer zu sitzen, und überließen Istvan und mir damit das Sofa. Lange sagte niemand etwas. Alle erholten sich von den Strapazen und dem Fehlschlag. Istvan strich mir mit seiner Hand übers Haar und schien sich in seine
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