Wolfsfieber - Band 2
mir. Das letzte Zelt war für Marius gedacht, der sich womöglich mit -Petre und Radu den Platz teilen musste. Wenigstens war ich jetzt eine kleine Hilfe. Dank Serafinas Unterweisungen konnte ich die Zelte vertäuen und aneinander binden. Auf diese Weise bildete sich ein Kreis aus einem Strick, der etwas über den Boden liegend als Vorwarnsystem diente. Wenn jemand an das Seil stieß, Gegner oder nicht, bewegten sich alle Zeltwände. Der Ort war derart abgelegen, dass wir trotz Sonnenschein und beginnendem Abend nicht befürchten mussten, dass Wanderer oder sonst jemand mitbekam, dass wir unerlaubt hier campierten. Auch wenn das die unglaublichste Verharmlosung aller Zeiten war. Valentin hatte sich ein Satellitentelefon besorgt, damit er trotz miserablen Handyempfangs ständig mit Petre und Radu in Kontakt bleiben konnte. Sie hatten das Farkas-Rudel aufgespürt und überwachten seither jede seiner Bewegungen. Als das letzte Zelt stand, kam schon der nächste Anruf.
„Ja?“, meldete Valentin sich knapp. Eine unerträglich lange Pause folgte. Dann … „Verstehe … mhmm. Das habe ich befürchtet. Dann geht es bald los. Haltet euch bereit. Bis dann.“ Istvan und ich standen wie angewurzelt vor der Feuerstelle mit den drei halbierten Baumstämmen, auf die man sich setzen konnte. Valentin ließ sich darauf nieder und alle kamen he-ran, als wüssten sie, dass genau das von ihnen erwartet wurde. Istvan zog mich herab. Ich ließ es geschehen und fixierte Valentin. Er blickte forschend in die Runde.
„Das Rudel setzt sich in Bewegung. Er bringt sie alle mit. Gut daran: Sie sind teilweise verstreut und es wird dauern, sie einzusammeln. Schlecht daran: Sie sind uns zahlenmäßig überlegen. Etwa zwölf oder vierzehn werden es sein. Radu und -Petre werden so lange zurückblieben, bis sie uns angreifen. Vielleicht unterschätzen sie uns und werden unvorsichtig. So oder so, sie werden frühestens morgen Nachmittag oder spätestens morgen Abend eintreffen.“
Sobald Valentin diesen Satz beendet hatte, hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still wurde es. Jetzt gib es kein Zurück mehr , ging es mir gnadenlos durch den Kopf. Ich konnte spüren, dass Istvan mich mit einem verstohlenen Seitenblick musterte, also versuchte ich, möglichst unbeeindruckt auszusehen. Es gelang mir anscheinend, denn er verstärkte den lockeren Griff um meine Schulter nicht.
„Ich schlage vor, dass wir uns früh schlafen legen, denn vor uns liegen ein harter Tag und ein noch anstrengenderer Kampf“, meinte Jakov und sah fragend in die Runde. Anscheinend hatte ihn irgendjemand zu einer Art rechten Hand von Valentin erklärt, was mir wohl entgangen war. Für mich gab es andere Prioritäten. Sogar Woltan nickte zustimmend, was mich ähnlich überraschte, als hätte er plötzlich blondierte Haare. Es dämmerte noch nicht mal und wir hatten schon zu Abend gegessen. Die Stimmung war bedrückt und angespannt. Jakov und Serafina gingen eine Kampfstrategie nach der anderen durch, wobei sie ihre gestikulierenden Hände immer dazu benutzten, einander verstohlen zu berühren. Weil ich ihnen diese Zweisamkeit gönnen wollte, versuchte ich, sie nicht zu beobachten. Wer wusste schon, wie lange die Ruhe anhalten oder was morgen alles geschehen würde? Wieder schnürte sich mir die Brust zu, als ich die anderen ansah, die ebenfalls in der Mitte des Lagers saßen. Valentin, Marius und Woltan schienen erst unsere Aussichten abzuwägen, beschlossen dann aber die Anspannung durch eine Partie Poker abzubauen. Ich musste nicht fragen, wessen Vorschlag das gewesen war. Istvan saß mit mir auf einem großen, verrotteten Baumstumpf direkt vor unserem Zelt. Er musste keine Nachtwache übernehmen, genauso wie Jakov. Die zwei stärksten Kämpfer sollten ihre Kräfte sparen, während die anderen sich bei der Überwachung abwechselten.
Der Stumpf war nicht groß genug für uns zwei, sodass ich auf Istvans Schoß sitzen musste, obwohl ich es eher als „sitzen durfte“ empfand. Er hatte die Arme um meine Hüften geschlungen und ließ sein Kinn an meine Schulter lehnen. Wir hatten beide lange nichts gesagt und den anderen nur zugesehen. Ich hätte schwören können, dass er es aus demselben Grund tat wie ich. Wir beide machten uns Sorgen darüber, was jedem von ihnen zustoßen könnte, weil er für uns kämpfte. Als hätte er diesen Gedanken erahnt, murmelte er mir kaum hörbar etwas zu.
„Wir müssen einfach das Beste hoffen.“ Anstatt etwas zu sagen,
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