Wolfsfieber - Band 2
Einfluss auf sie war stark. Zu oft hatten sie diese Parolen der Stärke gehört. Kämpfte Istvan auf verlorenem Posten?
„Das ist dein Weg, Vater!“, schrie Istvan ihn an. Das Wort Vater klang bei ihm wie die schlimmste Beleidigung aller Zeiten.
„Und es ist nicht der Pfad des Wolfs. Das weiß ich jetzt. Dein Weg ist gepflastert mit Blut und Finsternis. Du nimmst ihnen alles und gibst ihnen nichts als Angst. Durch diese Frau erst …“, sagte er und zeigte für alle sichtbar auf mich, „… weiß ich, dass der Weg des Wolfes weder der Weg der Einsamkeit ist, noch der Weg der Gewalt oder Schuld. Unser Weg ist der, den wir selbst für uns wählen. Im Rudel sorgen wir füreinander, so wie Valentin es mich gelehrt hat. Wir können einen Partner oder eine Familie finden, so wie Jakov. Oder wir kämpfen für das, was wir lieben, wie ich für diese Frau, die ich liebe und die zu mir gehört!“ Istvan sprach sehr offen. Jeder musste doch sehen, dass es tief aus dem Herzen kam, ganz anders, als wenn Farkas sprach. Wer könnte diesen grünen Augen nicht vertrauen?
„Bla, bla, bla“, ätzte Farkas. „Märchenstunde vorbei. Mein Rudel weiß, dass ich ihm alles gebe, was es braucht“, blaffte er selbstsicher. Aber seine Jungs sahen alles andere als überzeugt aus. Zweifelnd sahen sie sich gegenseitig an. Unsicher. Fragend. Hilflos. Ich konnte genau fühlen, wie es Farkas wütend machte. Jeder seiner Muskeln verkrampfte sich. Noch fester zog er den Griff um mich, als er seine Aufmerksamkeit seiner Gefolgschaft zuwandte, um sie anzuherrschen.
„Habe ich euch nicht alles gegeben?“, fragte er die jungen Anhänger seines Rudels schreiend. Er war außer sich, wollte gar keine Antwort. Es lag nicht in seiner Natur, sich infrage stellen zu lassen. Istvan trat zusammen mit Jakov noch einen Schritt näher, der mich nervös machte, weil Farkas fast schon unkontrollierbar in Rage war. Von Jakov flankiert, sprach Istvan ganz ruhig. Erzwungen ruhig, wenn sein Blick auf mich fiel.
„Du hast sie zusammengeschweißt in Angst und Schrecken. Gegeben hast du ihnen nichts als Blut und Tod! Aber erst nachdem du ihnen schon alles genommen hast. Aber damit ist Schluss“, stellte Istvan ein für alle Mal klar. „Es endet … hier und jetzt!“
„Komm nur einen Schritt näher und es wird ihr letzter Herzschlag sein!“, warnte ihn Farkas mit bitterem Ernst. Ich war fast am Ende.
Istvan versteinerte, doch Farkas ebenso, als er mit ansehen musste, wie sein ganzes Rudel, einer nach dem anderen, alle bis auf Vladimir, sich von ihm abwandte und einfach davonging. Genau, wie er es vorgelebt hatte, sah nicht einer von ihnen zurück. Sie überließen ihren alternden, grausamen Leitwolf seinem Schicksal, genauso, wie er sie hier hergebracht hatte, als Bauernopfer für den Kampf gegen Istvan und die Valentins.
Farkas traute seinen Augen nicht, als Serafina hervorgeschnellt kam und mit einer einzigen, schnell entschiedenen Geste auf Vladimir sprang und dem Muskelberg mit einem heftigen Ruck den Kopf verdrehte. Dumpf fiel sein Oberkörper zur Erde. Mit aufgerissenen Augen beobachtete Farkas fassungslos das Unmögliche, das gerade geschehen war. Istvan nutzte die Ablenkung aus, um mir mit einem einzigen, eindringlichen Blick auf meine Hüfte mitzuteilen, was ich zu tun hatte, wenn ich überleben wollte. Ohne zu nicken, ließ ich ihn mit einem leichten, erschöpften Lächeln wissen, dass ich verstanden hatte.
Farkas packte mich erneut, aber dieses Mal ließ ich mich nicht davon beeindrucken.
„Sieht so aus, als wärst du am Ende, alter Mann!“, murmelte Jakov. Genau in dieser Sekunde, in der Farkas sich auf Jakov konzentrierte, gelang es mir meinen Arm zu befreien. Ich kramte das Bleimesser hervor und rammte es, ohne hinzu-sehen, so tief ich konnte in seinen Oberschenkel und drehte es herum. Der unerwartete Schmerz ließ ihn aufjaulen. Automatisch ließ er von mir ab. Istvan stürzte auf mich zu und zog mich von Farkas weg. Mit einer schnellen, beschützenden Geste schirmte er mich ab und übergab mich in Valentins Arme, der mich wegzerrte und mit mir zu Boden ging. Unter Valentins Körper sah ich von unten mit an, was Istvan und Jakov mit Farkas anstellten.
Als hätte er schon sein ganzes Leben auf diesen einen Moment gewartet, packte Jakov Farkas bei der Schulter und verpasste ihm einen Haken, der Farkas von seinen Vorderzähnen befreite. Er ging zwar nicht zu Boden, spuckte aber Blut aus. Trotz seiner Verletzung hielt sich Farkas
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