Wolfsfieber - Band 2
Kopf versperrte mir das Sonnenlicht. Für mich sah er wie ein bleicher, lebloser Schatten aus. Ein Bote des Todes.
Aber nicht meines , dachte ich. Mein Arm schoss blitzschnell hervor und zog ihm den Fuß weg, sodass er tatsächlich hinfiel. Der Schock darüber stand ihm ins absurd junge Gesicht geschrieben. Aber es hielt ihn nicht lange auf. Der plötzliche Druck auf meiner Brust ließ mich wissen, dass er bereits auf mir saß, um mir den Rest zu geben. Obwohl es schnell ging, kam mir alles ganz langsam vor. Wie in Zeitlupe sah ich, wie Dimitris Hände auf mich zukamen, um mich zu würgen oder mir gleich das Genick zu brechen. In exakt demselben Moment griff mein rechter Arm unter mein T-Shirt und zog mit einer einzigen, fließenden Bewegung das Messer aus seinem Halfter. Ohne zu überlegen, ohne auch nur einmal zu zögern, holte ich aus. Und ehe noch seine Hände meinen Hals berührten, fühlte ich, wie das Messer an seinen Rippen vorbei in sein Inneres drang. Dass ich es wirklich getan hatte, begriff ich erst, als er seine wasserblauen Augen aufriss und an sich selbst hinuntersah. Unsere Blicke kreuzten sich, als wir beide das Messer betrachteten, das schräg in seiner Brust steckte. Mit einer fahrigen, ungeschickten Geste richtete er sich auf. Dimitri sah aus, als hätte er gerade begriffen, dass seine Welt in Trümmern lag. Mit letzter Kraft holte er das Messer aus seinem Körper und brach zusammen. Er begrub mich unter sich. Aber der tote Körper, der auf mir lag, war schon jetzt nicht mehr unnatürlich warm, sondern fast kalt. Darüber war ich so geschockt, dass ich ihn angeekelt von mir stieß. Serafina kam zu sich und sah ebenso wie Marius und Vladimir, was passiert war. Entsetzen stand auf ihren Gesichtern. In großen Buchstaben. Leider bemerkte ich erst jetzt, dass Marius zusammen mit Serafina hinter Vladimir stand und ich keine Möglichkeit hatte, zu ihnen zu gelangen. Ich musste zuerst an Vladimir vorbei. An dem Farkaskrieger, der mich abgesehen von Farkas und dem toten Dimitri am meisten hasste und gerade gesehen hatte, wie ich seinen Bruder getötet hatte. In derbem russischem Akzent zischte er „ Hexe“ so heftig, dass ich fest die Zähne aufeinanderpresste. Endlich war Marius Serafina so nahe gekommen, dass er sie stützen konnte. Sie würde bald wiederhergestellt sein. Wenigstens das hatte ich richtig gemacht. Jetzt musste ich nur noch überleben. Aber wenn ich mir Vladimirs Rage ansah, standen die Chancen dafür schlecht. Aber ich wollte nicht, dass Vladimir mich in die Finger bekam und noch weniger wollte ich, dass er seine Wut über das, was ich zu tun gewagt hatte, wieder an Serafina ausließ. Also blieb mir nur noch eine Möglichkeit: Flucht!
So aussichtslos es auch war, ich tat es, sammelte mich selbst vom Boden auf, schnappte mir das Bleimesser und versuchte davonzurennen. Schon nach wenigen Sekunden hatte ich Vladimirs ekelhaft heißen Atem im Nacken. Kopflos duckte ich mich und er fiel über mich drüber. So blieb mir ein kurzer -Moment, um wieder zu entkommen. Doch es geschah genau das, was ich Istvan versprochen hatte zu vermeiden. Meine kopf-lose Panik hatte mich zum felsigen Teil des Waldstücks geführt, wo ich kaum vorankam. Vladimir tauchte vor mir auf. Offenbar hatte er mich bereits überholt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Böschung neben mir hinabzuflüchten. Ich ließ mich einfach absichtlich abstürzen. Bei meiner unsanften Abwärtsfahrt stieß ich gegen alles Mögliche, Steine, Sträucher und Wurzeln. Aber wenigstens war ich auf diese Weise schnell genug, um Vladimir zu entkommen. Als ich nach oben sah, war er nicht zu sehen. Egal! Weg hier!
Ich lief und lief. Vollkommen kopflos. Ohne Ziel. Ich hatte keine Ahnung, ob er noch hinter mir her war oder ob er eine Möglichkeit gefunden hatte, mir den Weg abzuschneiden. Ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen war, fand ich mich plötzlich tief im verwilderten Wald wieder. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Panisch sah ich mich um. Nichts kam mir bekannt vor. Die Orientierung war völlig weg. Dann hörte ich plötzlich ein Rascheln. Mein ganzer, schmerzender Körper spannte sich an. Vladimir. Er hat mich gefunden! Nein, bitte nicht! Ich kann nicht mehr.
Schwer atmend wandte ich mich dem Geräusch zu. Was blieb mir sonst übrig?
Aber es war nicht Vladimir, der in der Ferne auftauchte. Farkas lief auch mich zu. Elegant und ohne jede Mühe bewegte sich sein Körper mit schnellen Schritten auf mich zu. Der Waldboden
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