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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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mich damit nicht zu verletzen, aber ich wollte nicht zuhören. Ich war zu stur, zu sicher … zu verzweifelt. Ich hatte doch nur noch die wilde Entschlossenheit der Verzweifelten. Jetzt fasste ich sie an den Schultern und sprach auf sie ein, als wäre sie eine störrische Schülerin, die nicht aufgeben wollte, mir zu widersprechen.
    „Finde ihn, geh zu ihm und sag, dass ich hier auf ihn warte“, verlangte ich von ihr. Meine eigene Stimme klang trotz aller Aufregung seltsam neutral. Eigentlich war meine Forderung mehr ein freundschaftlicher Befehl.
    „Sag ihm, dass ich zurück bin und er wird kommen“, fügte ich noch hinzu. Ich sprach klar und ohne die Spur eines Zweifels erkennen zu lassen.
    „Wieso bist du dir nur so sicher, dass er kommen wird?“, fragte sie völlig irritiert durch meinen plötzlichen Stimmungswechsel.
    „Er kommt. Er kommt, weil ich auch kommen würde. Ich könnte nicht anders und er auch nicht“, versuchte ich ihr zu erklären, aber ich verstand es ja selbst kaum. Ich wusste nur, dass ich die Wahrheit sagte.
    „Bitte geh und tu mir diesen Gefallen!“, flehte ich sie jetzt an. Serafina nickte und sah mich durchdringend, fast schon ungläubig, an. Dann stürmte sie die Treppen hinab und in Windeseile hörte ich ihre Füße auf dem Boden ankommen. Ich hoffte, dass sie genauso schnell zu Istvan finden würde. Doch sobald Serafina weg und ich wieder alleine war, fiel die Maske der Selbstsicherheit wie ein zu weiter Panzer wieder von mir ab und ich hätte schreien können vor Angst, dass er zwar kommen würde, aber nur um mich zur Hölle zu schicken. Ein guter Platz für jemanden wie mich, obwohl ich noch immer auf einen Platz an Istvans Seite hoffte. Auch wenn ich ihn jetzt noch viel weniger verdiente als je zuvor.
    Ich wusste zwar, dass Serafina förmlich über dem Unterholz schwebte, doch heute schienen mir ihre Laufkünste kaum schnell genug. Die brennende Ungeduld meldete sich zurück und begann mich zu foltern. Der Einbruch der kalten, so gut wie mondlosen Nacht war dabei auch keine Hilfe. In dieser Finsternis erkannte ich fast nichts. Die Sicht reichte nicht einmal weit genug, damit man den Boden erkennen konnte. Also würde ich auch seine Gestalt nicht wahrnehmen können, wenn sie aus dem Wald gerannt käme. Es ärgerte mich, dass meine langsamen menschlichen Sinne mich behinderten. Jemand wie Serafina mit ihrem wölfischen Übersinnen könnte Istvans Augen schon von Weitem auf sich zukommen sehen. Ich beneidete sie über alle Maßen darum. Was hätte ich nicht dafür gegeben, in diesem Moment vom Turm herabzusehen und seine grünen Augen auf dem Absatz auszumachen, die auch in meine sehen könnten.
    Das Warten folterte mich weiter. Wieso kamen sie nicht? Konnte Serafina ihn nicht finden, oder war meine übertriebene Selbstsicherheit nur Hochmut, geboren aus tiefster Unsicherheit über Istvans Gefühle für mich? Jetzt war ich wieder dabei zu fallen und nur eine einzige Sache, nur ein einziger Mensch auf der Welt, könnte meinen Absturz noch verhindern, einfach, indem er auftauchte.
    Bitte komm!, flehte mein dummes Herz im Sekundentakt und wollte nicht still sein. Ich konnte nicht einmal an den Sturz denken, der mir bevorstand, bei dem Lärm, den es machte.
    Sie ist zu lange weg, er kommt nicht mehr, versuchte ich mir die bittere Wahrheit einzutrichtern und weigerte mich dennoch sie zu akzeptieren. Doch es ging nicht spurlos an mir vorüber. Ich sackte wieder zusammen, nachdem ich nervös auf der Plattform hin und her getigert war. Ich schlang erneut meine Arme ganz nahe um meinen Oberkörper. Dieses Mal nicht, um die Wärme bei mir zu behalten, sondern um die Teile in meiner Brust, besonders den stechenden Schmerz in meiner linken, an ihren Ort zu bannen.
    Ich ließ meinen Kopf resignierend auf meine Knie sinken und schluchzte auf meine angespannten Schenkel. Mein Gesicht vergrub ich unter meinen Haaren. Ich wollte nichts mehr sehen, auch nicht das finstere Nichts, das mich umgab. Nur ein Wort war noch in meinen Gedanken: vorbei . Dann noch eines: verloren ! Dann nichts. Keine Worte. Nur ein leeres Gefühl, das sich durch meinen Körper fraß. Das einzige Geräusch, abge-sehen vom pfeifenden Wind in den Bäumen, war mein trauriges, halb ersticktes Schluchzen und die Tränen, die ich mir nicht erlaubte, weil ich diese Erleichterung nicht verdiente.
    Als ich den nassen Sturm in meinen Augen kaum noch aufhalten konnte, drehte ich mein Gesicht zur Seite. Auf der Treppe erhaschte ich

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