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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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Ich stand unter Strom und zu allem Überfluss begann ich zu begriffen, dass er heute nicht kommen würde.
    „Serafina, bitte erzähl mir alles! Ich muss wissen, wie es für ihn war, wie es ihm jetzt geht. Ich will alles wissen und nimm keine Rücksicht auf mich. Bitte, erzählt es mir einfach!“, verlangte ich eindringlich von ihr. Sie wich von meiner Seite und setze sich mir gegenüber. In ihren braunen Augen konnte ich sehen, dass sie versuchte, die richtigen Worte zu finden, Worte, die ich aushalten konnte.
    „Als ich hier ankam, nach dem letzten Vollmond, -nachdem ich deine Nachricht bekommen hatte, lagen seinen Sachen bereits in Schutt und Asche. Ich habe Istvan zwischen den Trümmern gefunden. Ich erspare dir besser die Details. Aber er war ein Wrack. Nach drei Nächten als Wolf und drei Tagen als Mensch ohne Schlaf war er am Ende seiner Kräfte. Ich habe ihn unter die Dusche gesteckt und versucht ihn einigermaßen auf die Beine zu bringen. Kein angenehmer Job. Er muss den ganzen Vollmondzyklus lang nur gerannt sein. Danach hat er fast zwei ganze Tage durchgeschlafen. Istvan hat kein ein-ziges Wort mit mir gesprochen. Als ich ihn dann doch zur Rede stellen wollte, fand ich ihn in der Bibliothek, wo er gerade dabei war, eine englische Ausgabe von Frost zu zerfetzen. Ich hab versucht, einzuschreiten und ihm das Buch wegzunehmen, da ist er mich vielleicht angefahren … Joe! Ich dachte schon, er würde mich angreifen!
    Aber er stürmte nur an mir vorbei und riss das letzte -heile Bild von der Wand. Ich konnte ihn noch am Ausgang erwischen und fragte ihn, wo er hinwollte. Doch er sagte nur: ‚Weg‘ und verschwand. Ich bin nach einer Weile seiner Spur gefolgt und habe ihn dann im Lager gefunden, wo er ein Zelt aufstellte. Er hatte nichts dabei. Keine Nahrung, keine Kleidung. Am nächsten Morgen brachte ich ihm etwas zu essen und ein paar Anziehsachen. Er nahm alles, hat aber immer noch nicht mit mir gesprochen“, berichtete sie mir resigniert.
    „Hat er gar nicht nach mir gefragt? Oder wieso du gekommen bist?“, fragte ich im Flüsterton und hielt die Luft an.
    „Jedes Mal, wenn ich ihn nach dir fragte und danach, was passiert ist, starrt er mich fassungslos an, als würde ich ihn foltern. Da konnte ich nicht anders und habe es sein lassen. So geht das nun schon seit Tagen. Er isst nur, wenn es nicht mehr anders geht, verkriecht sich in seinem Zelt und das Einzige, was er tut, ist in seinem Notizbuch zu lesen oder zu schreiben. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll“, gab sie frustriert zu.
    Ich hatte Serafina aufmerksam und angespannt zugehört und versuchte meinem Gesicht nicht anmerken zu lassen, dass ich bei jedem Wort im Innern in tausend Stücke zersprang. Aber damit hatte ich rechnen müssen. Ich und mein Monster bekamen lediglich die Quittung für unsere Taten serviert, ob es uns gefiel oder nicht. Und wir hatten schließlich ganze Arbeit geleistet. Wir hatten uns nicht damit begnügt, uns selbst zugrunde zu richten, wir zogen auch noch unseren liebsten Menschen auf der Welt mit hinab in die Finsternis.
    „Gut gemacht, Joe“, grummelte ich und sprach damit meine zynischen Gedanken laut vor Serafina aus. Doch mein Selbsthass musste noch warten, ich brauchte Serafinas Antwort auf eine wichtige Frage, die dringlichste Frage überhaupt.
    „Serafina? Meinst du, er kann mir vergeben? Denkst du, er kommt zu mir?“, fragte ich kleinlaut und erstickte ein paar Krämpfe im Magen mit geballten Fäusten.
    „Ich weiß es nicht. So habe ich ihn noch nie gesehen. Aber ich glaube nicht, dass er jetzt kommen wird. Nicht in diesem Zustand“, gestand sie mir zögernd und blickte mich dabei nicht an.
    Ihre vorschnelle Antwort machte mich unglaublich wütend. Aber ich war nicht wirklich auf Serafina zornig, sondern vielmehr auf mich selbst. Wie konnte ich so ungläubig sein, so unsicher, was unsere Verbindung anging? Ich versuchte wieder diese Zuversicht in mir zu finden, trotz der Worte und der Bilder, die Serafina mir gebracht hatte. Vielleicht würde er mir nicht vergeben können, aber er würde kommen. Er würde zu mir kommen, wüsste er, dass ich hier auf ihn wartete. Sera-fina irrte sich. Ich wollte es ihr unbedingt beweisen.
    „Du irrst dich“, sagte ich ihr nüchtern. „Er wird kommen“, fügte ich, noch immer mit fester Stimme, hinzu. Ich zog mein Kinn hoch, um meine Selbstsicherheit ihr gegenüber noch zu verstärken.
    „Joe, er wird nicht kommen“, wiederholte sie kleinlaut und versuchte

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