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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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die Vibration im ganzen Auto aus. Ich trat das Gaspedal und fuhr dorthin zurück, woher ich gerade erst gekommen war. Durch St. Holdas und Rohnitz, vorbei an den reichlich bewaldeten Hügeln, blieb ich so lange auf der kurvigen Gebirgsstraße, bis ich den Turm-Parkplatz erreichte. „Kein anderer Wagen auf dem Besucherparkplatz zu sehen“, stellte ich erleichtert fest. Das machte die Dinge etwas leichter. Schließlich rechnete ich mit einem langen Aufenthalt auf dem hohen Turm und irgendwelche Touristen würden sich bestimmt über meinen Dauerbesuch wundern. Anscheinend war es den meisten zu trüb und kühl, was ich ihnen nicht verdenken konnte. Ich hätte vielleicht wenigstens eine Decke aus Istvans Haus mitnehmen sollen , schoss es mir durch den Kopf.
    Aber ich dachte nicht im Traum daran, jetzt noch umzukehren. Ich würde mein Lager in diesen luftigen Höhen aufschlagen und solange warten, bis er zu mir kommen würde, egal, wie lange es auch dauerte. Komme, was wolle!
    Sogar die ganze Nacht und den nächsten Morgen plante ich hier zu verbringen, wenn es nötig sein müsste. Meine Sturheit hatte sich nicht geändert. Dabei handelte es sich um einen Wesens-zug, der so untrennbar mit meinem Selbst verbunden ist, dass nicht einmal das Monster ihm schaden konnte. Irgendwie tröstete mich der Gedanke. Die alte Joe musste also doch noch in mir stecken. Und die, da war ich mir sicher, hatte Istvan einmal geliebt. Ich versuchte diese tröstliche Einsicht zu bewahren. Schließlich brauchte ich alle Waffen, die ich finden konnte. Es galt einen schweren Kampf zu gewinnen, den Kampf um Istvans Herz und meine Seele. Denn ohne ihn war ich, wie die letzten Tage und Wochen bewiesen hatten, nur eine leere Hülle. Beschädigte Ware – damit konnte ich ja gerade noch so leben, aber eine leere Hülle sein zu müssen, wenn Istvans Arme nicht weit entfernt auf mich warteten, war zu viel verlangt.
    Als ich endlich den kleinen Pfad zum Vorplatz hinter mir hatte und der Turm sich vor mir erhob, riesig und schön, genau wie in meiner Erinnerung, begann meine Zuversicht noch etwas mehr anzuwachsen. Aber ich wollte mir nicht zu große Hoffnungen machen, denn wie mir der Anblick des hohen Turms wieder ins Gedächtnis brachte: „Je höher man steigt, desto tiefer fällt man!“
    Und immerhin war ich ja schon tief gefallen. Irgendwann musste man ja mal wieder aufhören zu fallen und sicheren Boden erreichen, sagte ich mir selbst. Mein fester Boden, mein Fundament war die Hoffnung, Istvan wieder an meiner Seite zu haben. Die schönste Vorstellung von allen.
    Ich konnte nicht dagegen angehen. Der vertraute Anblick zusammen mit dem bekannten Aufstieg brachte mich in immer trügerische Höhen. Sie weckten viele versteckte Gefühle und Empfindungen, die ich mir während der letzten Tage niemals erlaubt hatte. Jetzt strömten sie durch mich wie Blut durch meinen Körper. Es war überall: der Wald, Istvan, ich und die gemeinsame Vergangenheit.
    Ich war schneller auf der Aussichtsplattform, als ich es mir zugetraut hatte. Die Aufregung ließ keine Müdigkeit zu. Oben angelangt stürzte ich sofort auf dasselbe Geländer, an dem er und ich damals angelehnt waren, als sich meine Haare in seinen Fingern verfangen hatten. Ich vermeinte in diesem Augenblick, die Wärme seiner Fingerspitzen auf meiner Wange fühlen zu können. Mein Herz klopfte beinahe so heftig wie damals, wenn ich nur daran dachte. Würde er hier auftauchen, in diesem Moment? Ich glaubte, mein Herz würde zerspringen. Aber er tat es nicht. Wie auch? Ich war gerade erst fünf Minuten hier. Ich musste mich etwas zusammennehmen und aufhören, mich so gehen zu lassen, sonst wäre ich schon vor der Abenddämmerung am Ende. Ich konnte es nur nicht erwarten, ihn wiederzusehen. Seltsamerweise rechnete ich fest damit. Irgendetwas sagte mir, dass Istvan früher oder später hier auftauchen würde. Ich war mir dessen sicher. So sicher, wie die Sonne im Osten aufgeht, wusste ich, dass er zu mir kommen würde.
    Ich musste jetzt nur noch warten.
    Warten? Verdammt, ich hatte vergessen, dass ich es -hasse zu warten.
     
    Etwa gegen Abend wurde es kühl, und als wäre mir nicht schon kalt genug, schließlich hatte ich weder Schirm noch Kapuze dabei, begann es zu nieseln. Zwar handelte es sich nur um einen leichten Nieselregen, aber er war unangenehm genug. Auch wenn ich dank der Überdachung nicht viel von der Nässe abbekam, kroch die Kälte dennoch in meine Knochen. Ich setzte mich dicht an den Rand

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