Wolfsfieber - Band 2
gehen konnte. Und Istvan? Er hielt solange durch, wie er konnte. Wie eine heiße Katze auf einem Blechdach kam er mir dabei vor. Vielleicht war das mein Zeichen.
Nach ein paar Minuten tauchten auch die anderen Valentins auf und wir saßen alle auf den Holzbänken, abgesehen von Valentin, der in seinem Schaukelstuhl seine Rehschnitzerei zu Ende brachte.
Es war schon fast Mitternacht und der volle Mond stand hoch.
Der volle Mond , wiederholte ich in Gedanken, bevor mir die Bedeutung klar wurde. Dann sprach ich es laut aus.
„Übermorgen ist Vollmond, oder?“, fragte ich in die Runde. Alle starrten mich an. Jeder Einzelne von ihnen belauerte meine Reaktion.
„Hey Leute, ich weiß schon, was das bedeutet“, scherzte ich übertrieben. Sie beruhigten sich etwas. Istvan setzte sich neben mich und tauschte dafür mit Woltan seinen Platz.
„Und du hast dir das wirklich gut überlegt?“, fragte er mich zum unzähligsten Mal.
„Ja. Ich möchte dabei sein. Natürlich nur, wenn ihr nichts dagegen habt?“, wollte ich von dem gesamten Rudel wissen. Sie sahen sich alle abschätzend an, dann nickte einer nach dem anderen: Valentin, Serafina, Woltan und Marius.
„Na, jetzt bekommst du was für Istvans Geld geboten“, feixte Marius und zwinkerte mir zu. Ich lächelte zurück und ignorierte den leisen, nervösen Krampf in der Magengegend.
Später in dieser Nacht beichtete ich Istvan von Valentins Vermutung, was meine Träume anging. Von seinen anderen Mutmaßungen sagte ich kein Wort.
Istvan bestätigte Valentins Verdacht und machte sich wieder einmal Selbstvorwürfe, dass er nicht selbst darauf gekommen war. Sein Kommentar dazu war, wie nicht anders erwartet:
„Siehst du! Ich habe dir immer gesagt, dass du etwas Besonderes bist.“
„Aha. Ich bin also etwas Besonderes, weil ich alle heiligen Zeiten merkwürdige, beinahe-prophetische Träume habe, aber du , der sich bei Vollmond in einen Wolf verwandeln kann, bist verflucht. Kommt dir das nicht selbst irgendwie heuchlerisch vor. Du misst mit zweierlei Maß“, beschwerte ich mich heftig. Er ging nicht darauf ein.
„Das ist etwas anderes. Du bist dennoch ein normaler Mensch“, meint er fast schon nervig herablassend.
„Aber ein ganz besonderes Mädchen“, flüsterte er und versuchte mit Flirten meinen Einwand zu überspielen. Istvan kam zu mir und setzte sich auf sein Bett, in dem ich auf der Decke lag.
„Genau genommen bin ich eine Frau“, erinnerte ich Istvan und kam näher an ihn heran.
„Als könnte ich das vergessen!“, murmelte er mit aufgerissenen Augen und ließ seinen Blick kurz über meinen Körper schweifen.
Es kribbelte überall auf mir. Ich musste mich mehrmals ermahnen: Falscher Zeitpunkt!
„Also morgen“, bemerkte ich beiläufig und legte den Kopf zurück.
„Ja, morgen. Ich bin gespannt, ob du endlich einmal Angst bekommst. Ich mache mir schon Sorgen, dass deine Angst-reaktion falsch gepolt ist“, sagte er spielerisch.
„Mit mir ist alles in Ordnung“, gab ich zurück. „Ich sehe nur die Dinge etwas anders. So, wie sie wirklich sind, nicht so, wie sie mir erscheinen.“ Istvan verstand sofort, dass ich eine Anspielung darauf gemacht hatte, dass er die Dinge aus seinem eingeschränkten Blickwinkel sah. Aber er reagierte nicht darauf. Aus irgendeinem Grund hätte ich mich deswegen gerne mit ihm gestritten. Es würde es leichter machen, nicht darüber nachzudenken, wieso wir bald im selben Bett schlafen würden, aber nicht miteinander.
Aber dann sah ich Istvans müden Blick und zähmte meine künstliche Streitlust.
Istvan zog sich aus und kam dann ins Bett. Er legte seinen Kopf neben meinem aufs Kissen, dann fragte er:
„Und ich soll nicht doch auf der Couch schlafen?“
„Untersteh dich!“, warnte ich ihn eindringlich und legte seine Hand in meine, bevor ich die Augen schloss und einschlief. Leider gelang es mir nicht, besonders tief zu schlafen, weil ich immer wieder fürchtete zu träumen. Ich sorgte mich umsonst. Ich träumte gar nichts, nicht einmal diese ausdruckslosen Bilder, die lediglich halfen, den vergangenen Tag zu verarbeiteten.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Istvans Hand noch immer kraftlos in meiner, doch seine Haut war bereits glühend heiß. Die erste Vollmondnacht stand bevor. Sein Körper begann sich bereits auf die Verwandlung vorzubereiten. Ich hoffte für ihn, dass es jetzt, wo die Valentins dabei sein würden, für Istvan nicht mehr so schmerzhaft sein würde.
Eine aufregende Nacht
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