Wolfsfieber - Band 2
Andeutungen sprach. Ich wollte Klartext, brauchte das sogar. Auch wenn es unglaublich peinlich sein würde.
„Jetzt mal Klartext. Verlangst du von mir, absichtlich zu weit zu gehen, um zu testen, ob es dabei zum Vorschein kommt“, stieß ich skeptisch hervor. Ich traute meinen eigenen Ohren nicht.
„Ich würde das nie von dir verlangen. Es ist gefährlich und eigentlich gegen Regeln, die ich selbst aufgestellt habe. Aber wenn du so kühn bist, wie ich vermute, wärst du ohnehin irgendwann selbst auf die Idee gekommen, oder?“
Ich dachte darüber nach. Er hatte recht. Ich hatte keine Geduld und hätte irgendwann die Dinge überstürzt. Ich musste nur an den Vorfall vor dem Badezimmer denken. Er lag nur wenige Tage zurück, aber ich musste mich dabei unglaublich zusammennehmen, um nicht etwas Unbesonnenes zu tun, um ihn nicht zu küssen.
Valentin konnte anscheinend durch mich hindurchsehen wie durch Glas. Jetzt verstand ich auch, was Istvan damit meinte, dass Valentin einem manchmal das Gefühl geben konnte, einen besser zu kennen als man sich selbst.
„Du hast ja recht. Ich hätte es vermutlich getan, eigentlich ziemlich sicher, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber ich bin dabei nicht das Hauptproblem. Es gibt immer zwei Menschen, die dazu notwendig sind. Und Nummer zwei ist ein überbesorgter, vorsichtiger Beschützertyp, der mich niemals absichtlich in Gefahr bringen würde“, erinnerte ich ihn.
„Das stimmt zwar, aber, Joe, mal ehrlich: Konnte Istvan dir je widerstehen?“, fragte er mich mit hochgezogener Augenbraue. Ich hätte ihm zu gerne mit Nein geantwortet. Aber das wäre eine Lüge gewesen. Er konnte mir widerstehen, zu meinem eigenen Besten. Diese harte Lektion hatte ich in den Wochen vor meiner Abreise nur allzu deutlich gelernt. Ich musste Valentin daran erinnern, auch wenn ich es nur ungern zugab. Diese Art von Gesprächen führe ich nicht mal mit Carla , ging es mir durch den Kopf, bevor ich ihm antwortete.
„Doch, er konnte mir widerstehen. Ich erinnere mich nur ungern daran“. Es tat weh. Meine letzten Worte konnten die Traurigkeit kaum verbergen, die hinter diesem Geständnis standen.
„Joe, das waren ganz andere Umstände. Ich bin erstaunt, dass du den Unterschied nicht bemerkst. Er kann sich, wenn ihr zusammen in einem Raum seid, kaum von dir lösen. Denkst du, wir hätten nicht alle bemerkt, wie ihr euch hier extra zusammennehmen müsst. Wir sind nicht blind, Liebes“, schnaufte er lachend.
Ich wurde sofort rot. Es war so demütigend. Wir täuschten niemanden, schon gar nicht die Valentins. Wie blind mussten die anderen Dorfbewohner sein, um immer wieder auf unsere Charade hereinzufallen. Aber es war gut so, für uns alle.
„Ich weiß schon, was du meinst, aber er ist sehr vorsichtig. Es wird eine Weile dauern, bis ich ihn endgültig überzeugen kann, wieder …“, meint ich und versuchte das Ende meines Satzes mit den Augen zu vermitteln, damit ich es nicht aussprechen musste. Ich kam mir schon beschämt genug vor.
Valentin nickte heftig und ließ es damit gut sein. Ich seufzte laut, als mir klar wurde, dass dieses seltsame Gespräch endlich zu Ende war. Valentin war, das wurde mir nun in aller Deutlichkeit bewusst, ebenfalls kein Mann für Small Talk. Unter anderen Umständen hätte ich das sehr sympathisch gefunden, aber in dieser Nacht war alles zu anstrengend dafür gewesen.
Nach einem kurzen Moment des Schweigens wollte ich Valentin noch einmal nach meiner angeblichen Traumgabe befragen, aber Woltans Auftauchen hielt mich davon ab. Ich wollte mich vor Woltan, einem Werwolf, nicht als Freak outen. Offenbar war ich tatsächlich etwas falsch gestrickt.
Woltan setzte sich zu mir auf die Bank und wirkte sehr müde und ganz schön fertig.
„Alles in Ordnung?“, wollte ich wissen.
„Nicht wirklich“, sagte er mit geschlossenen Augen. Den Kopf tief in den Nacken gelegt, sagte er: „Dein feiner Freund und dieser ausgefuchste Marius haben mich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Wieso falle ich immer darauf rein?!“, schalt er sich selbst aus.
Istvan hatte sich also ganz gut geschlagen. Marius hatte, wie nicht anders zu erwarten, abgesahnt. Serafina war ausgestiegen, als sie begann, zu viel zu verlieren. Anscheinend kam beim Poker immer ein wenig von den Charaktereigenschaften einzelner Spieler zum Vorschein. So ging Woltan Risiken ein, während Serafina immer auf Nummer sicher ging, genau wie in ihrem Liebesleben. Marius spielte so lange, bis er als Sieger vom Tisch
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