Wolfsfieber - Band 2
Möglichkeiten der Doktor dir, euch bieten kann.“
„Nein“, stieß Istvan stur hervor.
„Nein, nicht, wenn sie dabei im Spiel ist“, sagte er und drückte dabei meine Hand so fest, dass sie taub wurde. Die beiden redeten über mich, als wäre ich gar nicht anwesend. Das machte mich verdammt wütend, doch dann verflog dieses Gefühl, wurde verdrängt.
Jetzt erst verstand ich. Wenn es nicht um Heilung des Wolfsfluchs ging, sondern eher um eine Art von Schadensbegrenzung oder, wie es sich in Woltans Fall anhörte, um einen biochemischen Ausgleich zwischen Mensch und Werwolf, hatten ich und mein Körper sehr wohl damit zu tun. Vielleicht sogar mehr, als mir lieb war. Bestimmt mehr, als Istvan lieb war, soviel war sicher. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Kein Wunder, dass Istvan derartig ablehnend auf das Angebot reagierte.
Aber noch größer als die Angst, meine Angst, war die Neugier, besonders in Hinblick auf diese ungeahnten -Möglichkeiten, von denen nicht einmal Valentin genau zu wissen schien, worum es sich dabei handeln könnte.
Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, sah ich zuerst Valentin und danach Istvan in die Augen, es war, als blicke man von einem nächtlichen in einen taghellen, grünen Wald. Valentins erwidernder Blick war erwartungsvoll. Hoffnungsvoll. Istvans Ausdruck erinnerte mich eher an eine verschreckte, launische Katze.
„Joe, wie siehst du das Ganze?“, fragte Valentin, worauf mich alle Werwölfe im Raum mit ihren Augen durchbohrten. Diese aufdringliche Aufmerksamkeit war mir unangenehm. Ich versuchte mit aufgesetzter Objektivität zu reagieren.
„Ich denke, man sollte schon wissen, was man ablehnt … Ich meine, es kann ja nicht schaden, diesen Mann anzuhören.“
Sofort wusste ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen im Raum aufgehört hatten zu atmen. Woltan, weil er mir trotz seiner Wut, darüber belogen worden zu sein, vollkommen zustimmte, und Istvan atmete nicht mehr, weil ihn meine angedeutete Absicht im Inneren erschütterte.
„Istvan“, sprach ich ihn besänftigend an, „denkst du nicht, nach vorletzter Nacht sind wir es uns schuldig, alle Pfade auszuforschen. Selbst die, die uns, die dir unbeschreitbar oder gar unmöglich erscheinen?“
Er schüttelte leicht den Kopf und senkte den Blick. Ich intensivierte meinen Blick, zwang ihn vor allen Anwesenden, mich anzusehen, und folterte ihn regelrecht mit meinen flehenden Augen.
Er schnellte von der Couch hoch, lehnte sich mit den Armen am Kamin an und bettete seinen Kopf auf den Stein.
Lange sagte niemand etwas, als befänden wir uns in einem luftleeren Raum. Mir kam es fast wie eine Ewigkeit vor.
Erst als Istvan sich wieder umdrehte und sich dabei durchs sandige Stirnhaar fuhr, begann sich die Luft vor Spannung aufzuladen. Fast vermeinte man ein Knistern zu hören, als Istvan verkündete:
„Aber wir hören uns nur an, was er zu sagen hat … Das meine ich verdammt ernst!“
10. Eine seltsame Reise
Nachdem Istvan nachgegeben hatte, überstürzten sich die Ereignisse. Das Wochenende stand vor der Tür und Valentin drängte uns zusehends, es für eine Reise zum Labor des Doktors zu verwenden. Istvan wollte die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen, deshalb stimmte er Valentins Vorschlag zu. Mit Vorbehalten selbstverständlich.
Ehe ich noch richtig begreifen konnte, was mit mir geschah, saß ich auch schon in einem Flieger nach Venedig, dem Wirkungskreis des ominösen Doktors, zusammen mit meinem Werwolfliebsten, Woltan und Miriam. Der Flug war kurz, aber wäre es nach Istvan und vor allem Woltan gegangen, hätte er noch viel kürzer sein können. Wie sich herausstellte, hassten Werwölfe das Fliegen. Wobei das eigentliche Problem nicht der Flug selbst oder die Höhe war, sondern das Eingesperrtsein in einer Blechhöhle ohne Ausgang. So nannte es zumindest Woltan, der mir erklärte, dass es sich für ihn so anfühlte, als hätte man ihn in einen Käfig gesperrt. Jedes Tier, besonders jedes Raubtier, verabscheut dieses Gefühl. Hielt es zu lange an, könnte ihresgleichen daran sogar zugrunde gehen. Bei dieser Vorstellung lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Das Bild eines Istvans, eingeschlossen in einem Eisenkäfig, dessen grüne Augen immer mehr verblassten, bis sie schließlich leer und ausdruckslos geworden waren, erschütterte mich bis in Mark.
Doch zu meiner Erleichterung fiel es Istvan deutlich leichter als
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