Wolfsfieber - Band 2
Woltan, dieses unangenehme Gefühl zu unterdrücken, schließlich erlaubte er seinem Raubtier nicht, soviel Raum von ihm einzunehmen. Segen und Fluch zugleich, wenn man das Problem mit seinem inneren bösen Wolf bedachte.
So war es also ausgerechnet an der zartbesaiteten Miriam, ihrem hübschen Woltan aufmunternd den Arm zu tätscheln. Auch wenn Istvan sich während des Flugs nicht gerade wohlfühlte, war es etwas anderes, was ihn bedrückte und immer wieder dazu führte, dass er seufzend aus dem Fenster des Flugzeugs starrte.
„Nicht mehr lange, dann landen wir. Versprochen“, säuselte Miriam hinter mir zum unzähligsten Mal, während Woltan meinen Sitz mit seinem wild zuckenden Fuß traf. Die anderen Flugpassagiere bemerkten zwar seinen aufgebrachten Zustand, hielten es aber offenbar nur für einen schlimmen Fall von normaler Flugangst.
„Wie geht es dir eigentlich damit?“, fragte ich Istvan. „Du hast heute noch kaum etwas gesagt“, merkte ich möglichst ruhig an, um mich ja nicht in die Bredouille zu bringen.
„Ganz gut“, bemerkte er knapp und widmete sich wieder dem Ausblick. Er weigerte sich, mich anzusehen. Sofort kochte ich innerlich.
„Planst du deine charmante Laune eigentlich länger beizubehalten?“, stichelte ich jetzt herausfordernd.
„Vielleicht“, blaffte er sarkastisch zurück.
„Vielleicht solltest du es lassen!“, schlug ich ihm bissig vor. Ich war dabei, die Nerven zu verlieren. Eigentlich verloren wir beide unsere Nerven.
„Wieso? Wieso sollte ich?“, wollte er von mir wissen, sah mich dabei endlich an, die Stirn in tiefe Falten gelegt.
„Weil ich dich verdammt noch mal darum bitte. Deshalb“, ließ ich ihn beleidigt wissen.
Unfair, wie ich war, legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und fuhr mit meiner Hand über seine Brust – diese herrlich warme Brust – vorbei an seinem Hemdknopf, bis meine Fingerspitzen über seinem Herzen zum Stehen kamen. Jetzt müsste sich mein Puls über die Fingerkuppen auf Istvan übertragen. Die einzige Art von Verführung, auf die ich mich verstand. Zugegeben, ich spielte nicht gerade anständig. Aber ist nicht in der Liebe und im Krieg alles erlaubt?
„Nicht fair“, beschwerte er sich schwach, als hätte er meinen Gedanken gelesen. Doch schon tauchte seine angenehm warme Hand auf meinem Nacken auf und ich spürte, wie sein kreisender Daumen meine Halsschlagader suchte. Die hypnotische Berührung zusammen mit der aufsteigenden Hitze fegte auch den letzten Rest meiner Streitlust davon, bis nur noch Platz für andere Dinge war. Dinge, die leider noch immer außer meiner Reichweite lagen.
Deshalb zog ich meine Hand wieder von seiner hitzigen Brust weg und lehnte mich tief in meinen Sitz zurück. Mit fest geschlossenen Augen versuchte ich mich daran zu erinnern, wie man atmet, bevor ich unser schwieriges Gespräch wieder aufnahm.
„Wirst du wenigstens versuchen, etwas aufgeschlossen an die Sache heranzugehen?“, fragte ich resignierend nach.
„Ich kann dir nichts versprechen. Aber ich sagte, dass ich mir das Angebot des Doktors anhören würde, und das tue ich auch. Mehr ist nicht drin, Joe“, versuchte er mir einzubläuen. Doch ich wollte es nicht hören. In Gedanken malte ich mir schon aus, mit Istvan zusammen durch Venedig zu spazieren, nachdem uns dieser Doktor eine Art Heilmittel oder zumindest etwas, dass unsere Ungleichheit ein wenig verbessern könnte, gegeben haben würde. So gut wie alles war mir schon durch den Kopf gegangen: ein Heilmittel gegen Istvans Wolfsfieber, ein verändertes Gift, das mich zu einer Art Light-Werwolf machen könnte – Istvan davon zu überzeugen, würde ein wahrer Kraftakt werden, vielleicht eine Möglichkeit Istvans Alterungsprozess zu beschleunigen oder meinen künstlich zu verzögern. Was immer es auch war, was der Doktor entwickelt hatte, es war auf jeden Fall wert, darüber ernsthaft nachzudenken.
Jetzt, wo ich eine reelle Zukunft mit Istvan plante, hatte mein Verstand ein neues Gebiet, mit kühneren Gedankengängen, für sich erschlossen. Noch vor ein paar Monaten, als Farkas gedroht hatte, mich mit seinem Wolfsgift zu infizieren, war ich in Todespanik verfallen. Doch jetzt, wo mir unter Umständen eine ähnliche Möglichkeit angeboten werden würde, dachte ich doch tatsächlich darüber, ganz im Ernst, nach, dieses Angebot anzunehmen. Man konnte durchaus sagen, dass ich von dem Gedanken besessen war, mit Istvan gleichberechtigt, solange ich nur konnte, zusammen zu sein. Istvan
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