Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
Legree?“
Ich hasste es, dass der Vorname meines geliebten Ehemanns mit dem des berüchtigten Bösewichts aus Onkel Toms Hütte identisch war, aber ich hatte das Buch nicht geschrieben, und Harriet Beecher Stowe war gestorben, lange bevor ich die Gelegenheit gehabt hätte, mich zu beschweren.
„Niemand weiß mit Gewissheit, wer der Mann war“, entgegnete Cassandra. „So wie das mit Legenden nun mal ist, steht er vermutlich sinnbildlich für alle Sklavenhalter. Dazu verdammt, für seine Habgier auf ewig besessen zu sein.“
„Glauben Sie wirklich, dass da ein Werwolf in den Honey-Island-Sümpfen herumstreift?“
„Vielleicht ist da einer; vielleicht ist da keiner. Aber es wurde ein Wolf gesichtet. Und Menschen kamen ums Leben.“
„Was denkt die Polizei?“
„Das Gleiche wie Sie. Glaube niemals, was du nicht mit eigenen Augen gesehen hast. Es gibt in Louisiana keine Wölfe, also muss es sich bei diesem Tier um einen wilden Hund oder einen Kojoten handeln.“
Ich erinnerte mich an etwas, das Simon mir gesagt hatte. „Wölfe würden keine Kojoten in ihrem Revier dulden. Die machen sie rasend.“
„Okay.“ Cassandra wirkte verwirrt über meinen scheinbar willkürlichen Gedanken. „Aber was ist mit Werwölfen und Kojoten?“
In dem Fall war ich mir nicht sicher.
Plötzlich fiel mir etwas anderes ein. „Werden die, die von einem Werwolf gebissen wurden, nicht selbst zu einem?“
„Der Legende zufolge ja.“
„Wenn da also ein Werwolf in New Orleans sein Unwesen treib t – und das schon seit über hundert Jahre n – , sollte es inzwischen nicht mehr als einen loup-garou geben?“
Cassandra drückte mir das Gris-Gris in die Hand. „Wer behauptet denn das Gegenteil?“
6
Das Läuten der Türglocke setzte unserem Gespräch ein Ende.
„Entschuldigen Sie mich kurz“, sagte Cassandra.
„Ich muss sowieso gehen.“
Ich wollte ihr das Gris-Gris zurückgeben, aber sie nahm es nicht an.
„Das ist für Sie.“
„Lieber nicht.“
„Vertrauen Sie mir. Es wird Sie vor der schlechten Energie der Blume schützen.“
„Ganz bestimmt.“
Sie legte den Kopf schräg. „Was kann es schon schaden?“
„Das hängt davon ab, was Sie reingetan haben. Fledermausflügel? Welpenschwänze? Dagegen bin ich allergisch.“
Cassandra lachte. „Nein, nichts so Ominöses. Ein paar Kräuter, roten Pfeffer. Erde vom Grab eines Glaubensgenossen.“
Ich zog eine Grimasse.
„War nur ein Scherz“, erklärte sie. „Außerdem habe ich noch ein kleines Etwas hinzugefügt, um die Biester aus dem Sumpf fernzuhalten.“
„Okay. Das funktioniert sicherlich.“ In Kombination mit einer Schusswaffe und einem Baseballschläger.
„Ich bezweifle, dass Sie die Alligatoren in ihrer Nähe herumlungern haben wollen, während Sie in den Sümpfen arbeiten.“
Ich schob das Gris-Gris in die Tasche.
„In den guten alten Tagen haben sich die Leute GlücksbringerindenlinkenSchuhgesteckt“,fuhrCassandrafort,„abergenau diese guten alten Tage sind der Grund dafür, weshalb eine Menge Menschen am Ende lahm waren.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.“
„Behalten Sie das Gris-Gris tagsüber einfach bei sich und legen Sie es nachts unter Ihr Kissen. Vergewissern Sie sich, dass Sie es entfernen, bevor das Zimmermädchen es entdeckt. Manche reagieren nämlich ein bisschen nervös, wenn sie so was finden.“
Ich konnte nicht erkennen, ob sie nur Spaß machte oder nicht. Vermutlich nicht.
„Lassen Sie mich wissen, wie die Dinge laufen“, meinte sie. „Ich habe es übrigens sehr genossen, mit Ihnen zu sprechen.“
Ich hatte es ebenfalls genossen, mit ihr zu sprechen. Ich besaß nicht viele Freunde. Verdammt, ich besaß überhaupt keine. Nachdem ich Simon gefunden hatte, waren die paar wenigen, die ich hatte, allmählich in Vergessenheit geraten. Ich hatte einen bizarren Beruf, der sich nicht gut für Kameradschaft eignete. Ich verschwand häufig nach dem Klingeln des Telefons, ohne je zu wissen, wann ich zurückkommen würde, vergaß Essensverabredungen, interessierte mich nicht die Bohne für Kinofilme. Und die anderen Kryptozoologe n …
Na ja, sie würden einem Kollegen ohne mit der Wimper zu zucken sein Loch-Ness-Ungeheuer klauen.
Wieder zurück im Hotel stellte ich fest, dass das Zimmermädchen inzwischen sauber gemacht hatte und wieder gegangen war. Ich ließ meine Klamotten auf den Boden fallen, orderte einen Weckruf für den späten Nachmittag, dann schob ich das Gris-Gris unter mein Kissen.
Nach
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