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Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber

Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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O’Hare erstandenen Reiseführer komplett durchgelesen.
    Jahrhundertelang hatten die Einwohner der Mondsichel-Stadt ihre Toten auf Regalbrettern in als Gewölbeöfen bekannten Ziegelbauten abgelegt. Nach einem Jahr und einem Tag waren die Leichen dann zerfallen genug, um sie zu all jenen, die vor ihnen gegangen waren, in ein Massengrab zu werfen; auf diese Weise schuf man Platz für die Neuzugänge auf dem Fließband des Todes.
    Die meisten Menschen ziehen es heute vor, in einer Familienkrypta beigesetzt zu werden. Lieber die Ewigkeit mit Oma verbringen als mit der Knalltüte von nebenan.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Boot gegen das Ufer stieß.
    „Sie warten hier“, befahl Charlie. „Ich werde erst mal die Alligatoren vertreiben.“
    „Aber gerne doch.“ Ich musterte die mich fixierenden Augen. „Was, wenn einer von ihnen an Bord klettern will?“
    Ich ließ die Hand zu meiner Tasche wandern, in der das Gris-Gris war. Plötzlich hoffte ich wirklich, dass das Ding funktionierte. Wenn das kein Sinneswandel war.
    „Ich bezweifle, dass sie das könnten, abe r … “ Er beugte sich nach unten, entriegelte das Fach unter seinem Sitz und zog eine Handfeuerwaffe hervor. „Hier bitte.“
    Er selbst schnappte sich einen Baseballschläger, dann lief er in die Dunkelheit hinein.
    Das Gewicht der Waffe fühlte sich gut an in meiner Hand. Ich hatte nicht nur Selbstverteidigungskurse absolviert, sondern sowohl den Umgang mit einem Gewehr als auch mit einer Pistole gelernt. Und war gar nicht so schlecht darin.
    Das Wasser schlug in einem Rhythmus gegen das Boot, der friedvoll hätte sein können, wäre da nicht diese auf- und abtanzende Armee von Augenpaaren gewesen. Mich überfiel ein Frösteln, das allerdings nichts mit dem Mangel an Sonnenenergie zu tun hatte. Irgendetwas beobachtete mich wieder.
    Ich spähte aufs Wasser. Eine ganze Horde sogar.
    Ein Knistern vom Ufer her ließ mich zusammenfahren. „Charlie?“
    Ich wartete, doch er tauchte nicht auf.
    „Charlie?“, rief ich ein wenig lauter und erschreckte dabei die Alligatoren, die näher herangetrieben waren.
    Das Gebüsch schien sich in einer nichtexistenten Brise zu wiegen. Ich kletterte zum Bug des Sumpfgleiters und justierte den Scheinwerfer.
    Sein greller Schein loderte über die Spitzen der Gräser, prallte von den verwachsenen Ästen der Zypressen ab und beleuchtete eine Vertiefung in der Flora, die aussah, als würde sich irgendein großer Körper unablässig weiter in Richtun g …
    „Charlie!“
    Seine Antwort war ein Schrei, ein Gurgeln, dann Stille.
    Ich sprang aus dem Boot, ohne mich um die Alligatoren zu kümmern oder auch nur an sie zu denken. Aber wenigstens dachte ich an die Schusswaffe.
    DerScheinwerferleuchtetemirdenWeg,alsichindieRichtung,ausderderSchreigekommenwar,davonpreschte.CharliemusstesämtlicheAlligatorenindernäherenUmgebungverjagthaben,oderabersiehattenmein Gris-Gris gewittert.VielleichtwarensieaberaucheinfachzurückinsWassergeglitten,umdemzuentgehe n … wasauchimmerJagdaufCharliegemachthatte.
    Ich blieb stehen, um zu lauschen, und vernahm ein leises Knurren zu meiner Linken. Die Finger fest um die Pistole geschlossen, rannte ich, Charlies Namen rufend, durch das Unterholz.
    Manche Tiere ergreifen die Flucht, wenn man sie erschreckt. Andere jedoch nicht.
    Ich war nun so weit vorgedrungen, dass das Licht vom Boot allmählich schwächer wurde. Als ich durch ein Dickicht von Büschen auf eine kleine Lichtung stürmte, musste ich blinzeln, um etwas zu erkennen. Aber vielleicht blinzelte ich auch nur deshalb, weil ich meinen Augen nicht traute.
    Charlie lag auf der Erde. Tot, der Wunde an seiner Kehle nach zu schließen. Neben ihm kniete ein Mann und drückte die Finger gegen den Hals des Jungen. Zuerst glaubte ich, dass er ebenfalls attackiert worden sei.
    Ein blutüberströmter nackter Oberkörper verleitet zu einer solchen Annahme.
    Doch bei einer derartigen Menge Blut müsste man eine klaffende Fleischwunde oder ein großes tiefes Loch sehen. Ganz bestimmt sollte er nicht in der Lage sein aufzustehen, sich zu bewegen, auf mich zuzukommen. Ich geriet in Panik und hob die Pistole.
    „Stehen bleiben.“ Meine Stimme klang so dumpf, als würde ich durch Sumpfwasser sprechen.
    Der Mann kam einfach weiter auf mich zu, und das schnell. Sein wehendes, langes dunkles Haar gewährte mir quälend flüchtige Blicke auf eine Nase, ein Kinn und Zähne. Er entriss mir die Pistole, und das bronzene Armband um sein Handgelenk

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