Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
Frank war überzeugt, dass Adam irgendetwas wusste, und vielleicht tat er das wirklich. Doch was es war, würde ich selbst herausfinden.
„Ich arrangiere, dass Sie einen neuen Führer bekommen“, sagte Frank so leichthin, als wäre sein letztes Arrangement nicht an einer tödlichen Halsverletzung gestorben.
„Danke, aber das mache ich selbst.“
In Wahrheit hatte ich nicht die Absicht, irgendjemanden anzuheuern, weil ich nicht noch jemanden in Gefahr bringen wollte. Ich würde mir eine Waffe besorgen; das hatte ich auch früher schon getan. Anschließend würde ich die Sümpfe auf eigene Faust erforschen.
„Ganz wie Sie wollen. Ich rufe Sie dann morgen an.“
„Wie wäre es, wenn ich mich bei Ihnen melde, sobald ich irgendwelche Neuigkeiten habe?“
Ich konnte nicht arbeiten, wenn er mich die ganze Zeit kontrollierte. Er kostete mich jetzt schon den letzten Nerv.
„In Ordnung“, stimmte er zögerlich zu.
„Ich werde ziemlich viel auf Achse sein“, erklärte ich. „Und dann schalte ich mein Handy aus.“
Frank klang zwar noch immer ein bisschen angesäuert, trotzdem verabschiedete er sich ohne weiteren Kommentar.
Ich ging wieder auf den Balkon und scannte ein weiteres Mal die Menge. Niemand beachtete mich, und genau so sollte es auch sein.
Allmählich begann ich zu glauben, dass ich mir nur eingebildet hatte, verfolgt zu werde n – wieder mal. Die Stimme der Vernunft sagte mir: Selbst wenn der Mann zu mir hochgestarrt haben sollte, und irgendwie glaubte ich das noch immer, dann nur, weil er ein Faible für üppige rothaarige Frauen oder aber die Balkone auf der Bourbon Street hatte.
Dennoch schloss und verriegelte ich die Glastüren, bevor ich zu meinem Laptop ging. Ich hatte eine Idee.
Obwohl Wölfe für gewöhnlich ein ziemlich großes Territorium beanspruchen, deutete die räumliche Nähe zwischen den beiden Leichenfundorten darauf hin, dass das für diesen speziellen Wolf nicht galt. Gleichzeitig hatte das Biest, soweit wir wussten, im gesamten Sumpfgebiet, einer Fläche von circa vierhundert Quadratkilometern, getötet, aber man hatte nur die Opfer, die der Zivilisation am nächsten ware n – die auf dem Land der Ruelle s – , gefunden.
Ich rief die Zeitungsartikel auf, die Frank mir genannt und die ich unter Lesezeichen abgespeichert hatte, klickte sie nacheinander an und machte mir ein paar Notizen.
Ich wollte gerade nach weiteren mysteriösen Tierattacken während eines Halbmonds forschen, als mir ein kleines Foto von einem der Sumpfopfer ins Auge stach. Ich vergrößerte es, dann konnte ich mich nicht mehr rühren, nicht mehr sprechen, nicht mehr atmen.
Verdammt, ich konnte kaum noch denken.
9
Ich lehnte mich näher heran und starrte blinzelnd auf den Monitor. Der Mann war tot; er konnte nicht unter meinem Balkon gestanden und mich beobachtet haben. Das wusste ich so sicher, wie ich meine BH -Größe kannte. Warum also zitterten meine Hände?
„Es ist diese Stadt, die dir zusetzt“, flüsterte ich. „Spukhäuser. Werwölfe in den Sümpfen. Voodoo-Priesterinnen.“
Vielleicht sollte ich mit Cassandra sprechen. Wenn jemand wusste, warum ich einen lebenden Toten gesehen hatte, dann war dieser Jemand sie.
Bloß dass es schon weit nach Mitternacht war. Also wandte ich mich stattdessen wieder meinen Recherchen zu, entdeckte mehrere Artikel über tote Menschen im Sumpf, verglich die Daten mit den Mondphasen und wurde am Ende mit einer Liste belohnt.
Ich fand weder Hinweise auf tollwütige oder wild gewordene Tiere noch auf einen Serienkiller. Was mir seltsam vorkam. War denn niemandem außer Frank und mir aufgefallen, dass sich bei Halbmond Leichen auftürmten?
IchnahmmirnochmaldieDatenvor.WährendderletztenDekadewarenniemehralsdreiToteproJahraufgefundenworden.Wasvermutlicherklärte,warumeskeinenAufschreigegebenhatte.Besonders,daessichhierumeineGegendhandelte,inderderTodallgegenwärtigwar,unddasschonseitlangerZeit.
Meinen Internetquellen, meinem Reiseführer sowie meinem Gedächtnis nach hätte man New Orleans anstelle von Stadt der großen Unbeschwertheit auch Stadt der großen Seuchen nennen können. Da sie, eingepfercht zwischen dem Lake Pontchartrain und dem Mississippi, unterhalb des Meeresspiegels lag, hatte das Gelbfieber sich hier häuslich niedergelassen. Von 1793 bis 1905 hatte es sage und schreibe zwanzig Epidemien gegeben.
Neben dem Gelbfieber waren da noch andere Seuchen, Hungersnöte und Krieg gewesen. Das Übliche halt, nur dass die Probleme in New Orleans
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