Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
Abschiedsbrief?“
„Nein, nichts.“
„Ich würde gern die Zeitungsartikel über diese Todesfälle lesen, abe r … “
Ich sah auf die Uhr. Zuerst musste ich meine Fotos abholen.
„Ich werde sie für Sie heraussuchen“, versprach Mrs Beasly. „Ich könnte sie Ihnen kopieren. Für einen Dollar pro Seite.“
„Das wäre fantastisch.“ Ich gab ihr zehn Dollar.
„Ich hinterlege sie hier am Tresen. Falls ich nicht da sein sollte, wird jemand anders hier sein. Wie heißen Sie?“
„Diana Malone.“
Sie starrte mich wieder mit ihrem Lehrerinnenblick an. „Ich wusste gar nicht, dass die Ruelles irische Verwandte haben.“
„Außereheliche Abstammung“, erklärte ich. „Ist aber streng geheim.“
Einen Augenblick lang dachte ich, dass sie sich weigern würde, mir weiterzuhelfen, aber warum sollte sie das tun? Sie war eine Bibliothekarin, die dafür bezahlt wurde, Informationen herauszurücken. Welchen Unterschied konnte es für sie schon machen, wer ich war?
Ich schätze keinen großen, denn sie steckte das Geld ein und verabschiedete sich.
Noch immer verblüfft über das, was ich erfahren hatte, lief ich nach draußen. Doch die eigentliche Überraschung erwartete mich im Fotogeschäft.
Ich bezahlte die Abzüge, zog sie begierig aus dem Umschlag, dann schnappte ich mir den Angestellten und hielt ihm einen davon unter die Nase. „Was ist da passiert?“
Da er etwa zehn Jahre jünger, fünfzehn Zentimeter kleiner und ebenso viele Kilos leichter war als ich, trat dieser Reh-im-Scheinwerferlicht-Blick in seine Augen, während sein Adamsapfel zu hüpfen begann. „Ic h … ä h … was?“
„Da ist nichts drauf.“
„Abe r … “ Er linste auf das Foto. „Doch, da ist etwas.“
„Ich meine nicht den Sumpf, das Gras oder die Bäume. Da war noch etwas anderes.“
„Und was?“
„Das weiß ich nicht!“, brüllte ich beinahe. „Deshalb habe ich dieses Foto gemacht.“
Der Junge wirkte nun noch verwirrter als zuvor. „Sie haben etwas fotografiert, das jetzt nicht auf dem Abzug ist?“
„Exakt.“
„Das ist unmöglich, Ma’am. Wenn da was gewesen wäre, würde es jetz t … “, er tippte auf das hübsche Bild einer nächtlichen Sumpfidylle, „… hier drauf sein. Es sei denn, es wäre ein Vampir gewesen.“
Er grinste über seinen eigenen Witz. „Nein, Moment mal, bei denen ist es der Spiegel. Vampire haben kein Spiegelbild. Es sind die Werwölfe, die nicht auf Fotos auftauchen.“
Ich runzelte die Stirn und gab der Klimaanlage, die für diesen feuchtwarmen Herbsttag zu hoch eingestellt sein musste, die Schuld an dem Frösteln, das mich plötzlich überlief.
„Was haben Sie gerade gesagt?“
MeinTonfallschiendenJungendaraufaufmerksamzumachen,dassichallesanderealsbelustigtwar,dennerhörtenunaufzugrinsenundzogsichhinterdenTresenzurück.Alsobmichdasdaranhindernwürde,ihmzufolgen,wennichdasgewollthätte.
„Werwölfe tauchen nicht auf Fotos auf“, wiederholte er.
„Und woher wissen Sie das?“
„Ich habe mein ganzes Leben in New Orleans verbracht“, entgegnete er, als ob das alles erklären würde.
„Es gibt keine Vampire oder Werwölfe.“
„Nein?“, murmelte er. „Vielleicht sollten Sie mal nach Mitternacht allein im Quarter rumspazieren. Oder bei Vollmond in den Sümpfen. Wissen Sie, warum es nach Einbruch der Dämmerung keine Friedhofstouren mehr gibt?“
„Weil man Gefahr läuft, ausgeraubt zu werden.“
„Klar, das auch. Und weil die Toten aus ihren Gräbern steigen.“
Ich starrte den jungen Mann an, der einen so harmlosen, fast schüchternen Eindruck gemacht hatte. Aber jetzt wirkte er einfach nur irre.
„Oookay.“ Ich schob mich rückwärts in Richtung Tür.
„Die einzige Möglichkeit, einen Wolf von einem Werwolf zu unterscheiden ist, mit Silber auf ihn zu schießen.“
„Ja, das klingt logisch. Danke für den Tipp.“ War das hier wirklich real?
Ich tastete an der Tür herum, bekam die Klinke zu fassen und flüchtete nach draußen.
„Die sehen mich bestimmt nicht wieder“, murmelte ich. Und das nicht nur, weil sie meine Fotos verhunzt hatten.
Es war reiner Zufall, dass die Bilder nichts als Pflanzen zeigten und Werwölfe nicht auf Fotos auftauchten. Weil es sie nämlich gar nicht gab, nicht gab, nicht gab.
Und wenn ich dreimal meine Hacken zusammenschlüge, wäre ich vielleicht in Kansas, anstatt inmitten dieses Wirrwarrs. Ich war versucht, es zu probieren, nur leider waren mir gerade die rubinroten Schuhe ausgegangen.
Also kaufte ich, mir
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