Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
nach unten und hob Luc auf seine Arme. Dann verschwand er ebenso wortlos wieder nach draußen. Ich vermutete, dass er damit auch für immer aus meinem Leben verschwunden sein würde.
Was war da nur an diesen Ruelles, das Emotionen in mir auslöste, die ich nie zuvor empfunden hatte und von denen ich nicht annahm, dass ich sie je wieder empfinden würde? Was war an diesem stillen Mann und seinem mitteilsamen Sohn, das bewirkte, dass sich eine törichte, einsame Kryptozoologin nach einem Leben verzehrte, das sie nie gewollt hatte?
Das sah mir nicht ähnlich. Mich nach einem Kind zu sehnen. Zu erwägen, noch einmal mit solcher Intensität zu lieben, wie ich erst einmal zuvor geliebt hatte. Über eine Zukunft nachzudenken, die sich so sehr von der unterschied, die ich eigentlich geplant hatte, dass es unfassbar war.
Ich musste unter einem Zauber stehen.
Der Gedanke ließ mich innehalten. War am Ende die Magie schuld daran, dass ich mich so absurd benahm, so seltsam dachte, von so tiefer Sehnsucht erfüllt war? Die Idee an sich hätte mich zum Lachen bringen müssen, aber nach allem, was ich seit meiner Ankunft in der Mondsichel-Stadt gesehen hatte, war Erheiterung das Letzte, was ich empfand.
Es gab hier nur eine Person, der ich traute, und praktischerweise kannte sich diese Person mit Magie aus. Ich schnappte mir meine Tasche und die Autoschlüssel, dann machte ich mich auf den Weg die Stadt.
Auf der Bourbon Street war die Hölle los. Schon aus einer Entfernung von mehreren Blocks hörte ich die Musik und sah die Lichter. Ich war verlockt, einen kleinen Schlenker zu machen und meine Kümmernisse in einem Zombie zu ertränken. Aber so, wie die Dinge zur Zeit liefen, musste ich befürchten, am Ende einem echten Zombie gegenüberzusitzen.
Cassandra öffnete die Tür, noch bevor ich überhaupt geklopft hatte.
„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
Sie zog amüsiert eine Braue hoch. „Ich hab aus dem Fenster geschaut.“
„Oh.“
„Schließ die Tür ab. Du brauchst einen Drink.“
Wieder richtig. Manchmal glaubte ich, dass sie mehr war als nur ein übersinnlich veranlagtes Medium.
Binnen weniger Minuten saß ich ihr gegenüber am Küchentisch und vor einem Glas mit einem Getränk, das von einem winzigen Papierschirmchen komplettiert wurde.
Ich nahm einen tiefen Schluck. „Fruchtig.“
Und vermutlich eine Mischung aus zwölf verschiedenen Sorten Alkohol. Genau das, was ich brauchte. Ich nahm noch einen Schluck. „Was weißt du über Liebestränke? Wahlweise einen Liebesbann oder Liebeszauber?“
Cassandra nippte damenhaft an ihrem eigenen Glas, dann setzte sie es ab. „Mehr als du ahnst. Wieso?“
Ich wurde plötzlich unsicher. Adam hatte darauf beharrt, dass er mich nicht lieben konnte und auch von mir nicht geliebt werden wollte. Welchen Nutzen hätte er also von einem Liebeszauber?
Aber mit Luc war das eine andere Sache. Der Junge wünschte sich eine Mutter. Wenn ich hoffnungslos mein Herz an ihn verlo r …
Ich brachte es nicht fertig, Cassandra von dem Kind zu erzählen. Adam wollte nicht, dass irgendjemand von seinem Sohn erfuhr. Und obwohl ich Cassandra mein Leben anvertraut hätt e – dies faktisch schon bei mehreren Gelegenheiten getan hatt e – , stand es mir nicht zu, ihr auch das von Luc anzuvertrauen.
„Du redest von Adam“, folgerte sie. „Also liebst du ihn?“
„Irgendetwas empfinde ich für ihn“, murmelte ich. „Und das gefällt mir nicht.“
„Nur weil du den Mann nicht lieben willst, heißt das noch lange nicht, dass man dir einen Zauber auferlegt hat. Tatsächlich würdest du, wenn es so wäre, sogar entzückt sein. Das ist nämlich Teil der Magie.“
IchtrankeinengroßenSchluckundrammtemirdabeidasEndedes Papierschirms in die Nase. Niesend warf ich ihn beiseite.
„Du solltest lieber langsam machen“, warnte sie mich. „Sonst hast du in null Komma nichts einen sitzen.“
„Okay.“
Ich hatte recht gehabt mit den zwölf Sorten Alkohol. Schon jetzt spürte ich, wie sie in meiner Blutbahn kreisten, mich entspannten und gleichzeitig wiederbelebten. Meine Wangen glühten.
„Ich liebe meinen Ehemann.“
„Solltest du nicht sagen liebte ?“
„Ich weiß nicht, wie ich damit aufhören soll“, flüsterte ich. „Er fühlt sich für mich noch immer so lebendig an.“ Ich presste die Hand an meine Brust. „Hier drinnen.“
„Vielleicht hast du ihn deshalb in deinem Traum gesehen. In deinem Herzen ist er noch immer am Leben. Du musst ihn gehen
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