Wolfsfieber
oder muss
ich raten?“, wollte ich endlich wissen.
„Ein Vierteljahrhundert Joe zu feiern, ist Grund genug,
um sich zu freuen. Aber ehrlich gesagt hat meine gute Stim-
mung mehr mit deinem Geschenk zu tun, von dem ich es
kaum erwarten kann, es dir endlich zu geben“, sagte er und
grinste mich verschwörerisch über den Tisch hinweg an.
„Es ist schon etwas schwer zu glauben, dass ich mein Vier-
teljahrhundert feiere, während du dein Dreivierteltes schon
lange hinter dir hast. Der Gedanke ist schon etwas schräg.
Aber jetzt hast du mich verdammt neugierig gemacht. Was
schenkst du mir denn?“, fragte ich aufgeregt und hoffte, sein
Geschenk würde sich mit meinem Plan überschneiden.
„Ich muss dir gestehen, dass ich meinen Geburtstag gar
nicht feiere. Ich habe mein Geburtsdatum so oft geändert,
dass ich mich kaum noch an das echte erinnere. Es macht
Spaß, nach so vielen Jahren endlich mal jemandem ein Ge-
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schenk machen zu können. Das war eine sehr interessante
Erfahrung. Ich glaube, daran könnte ich mich gewöhnen“,
meinte er und setzte sich nun zu mir.
„Vielleicht solltest du auch anfangen, deinen Geburtstag
zu feiern. Immerhin hast du jetzt schon mal einen Stammgast.
Mich!“, scherzte ich und setzte mich auf seinen Schoß.
„Aber jetzt zu meiner Überraschung. Bitte lass mich nicht
raten, darin bin ich ganz mies!“, flehte ich ihn an und legte
meine Wange an seine.
„Na gut, dann kein Ratespiel. Ich hoffe, es gefällt dir auch.
Zuerst wollte ich dir eine Erstausgabe schenken, doch das war
mir nicht ausgefallen genug für einen 25er. Danach hatte ich
genau die richtige Eingebung. Also hör gut zu! Heute Abend
fahren wir nach Wien in die Staatsoper zu einer Aufführung
von La Traviata. Überraschung gelungen?“, fragte er gebannt.
„Definitiv. Ich kann es gar nicht fassen. Moment mal, ich
habe dir doch erst gestern Mittag von meinem Geburtstag
erzählt, wie kannst du jetzt schon Karten haben? Und das
am Wochenende!“, bohrte ich ungläubig nach und starrte ihn
fassungslos an. Seine grünen Augen funkelten belustigt.
„Um ganz ehrlich zu sein, habe ich die Karten schon vor
einem Monat vorbestellt“, gestand er und tippte mir dabei
auf die Nasenspitze.
„Woher wusstest du mein Geburtsdatum?“
„Ah, das bleibt mein kleines Geheimnis. Ich habe da mei-
ne eigenen Mittel“, deutete er, noch immer amüsiert, an. Ich
bohrte nicht weiter und beschloss, diesen Abend und die
Opernstimmung für meine Zwecke einzusetzen.
„Es gibt da nur ein kleines Problem. Ob du es glaubst
oder nicht. Ich war noch nie in der Oper und habe auch
nichts Passendes anzuziehen“, gestand ich ihm und es war
mir peinlich es zuzugeben.
„Und so was nennt sich nun Musikjournalistin!“, feixte er
und setzte eine verärgerte Mine auf.
„Hey, du weißt doch genau, dass die Oper nicht mein
Spezialgebiet ist. Außerdem hatte ich immer Bedenken we-
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gen der lächerlichen Kostüme. Aber mein Kleidungsproblem
ist ein echtes Hindernis!“, ließ ich ihn wissen und bekam
ungewollt einen verlegenen Ausdruck in der Stimme.
„Damit kommen wir zum zweiten Teil meines Geschenks“,
deutete er an und verließ kurz den Raum. Istvan kam mit
einem großen, weißen Karton zurück. In der Mitte stand in
schwarzen Großbuchstaben das Wort „Burberry“. Ich wuss-
te, dass dieser Designer die bekannten Trenchcoats herstell-
te, hatte aber keine Ahnung, wieso er mir so einen teuren
Mantel schenken sollte. Er bedeutete mir, den Karton zu
öffnen, was ich tat. Unter dem dünnen Papier fand ich einen
schwarzen Bleistiftrock. Der Stoff fühlte sich weich und an-
schmiegsam an, es musste sehr feine Wolle eingearbeitet
sein. Daneben lag ein enges Oberteil aus schwarzer Seide in
mehreren Lagen. Es hatte lange Ärmel und war definitiv zu
chic für jemanden wie mich. Ich traute mich gar nicht erst,
nach dem Preis zu fragen oder woher er exakt meine Größe
kannte, denn als ich es anprobierte, saß es wie eine zweite
Haut. Schon beim ersten Blick in den Spiegel erkannte ich
mich fast nicht wieder. Er klopfte und wollte sehen, wie es
mir stand. Ich musste mich einmal rumdrehen und kam mir
außerordentlich dämlich dabei vor. Ich blickte beschämt zu
Boden.
„Ich wusste es. Ich habe ein gutes Augenmaß. Es steht
dir hervorragend. Du musst dich nicht verstecken“, wies er
mich an und hob mein Gesicht, indem er seine Finger unter
mein Kinn schob.
„Es ist das erste
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