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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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sehr nahe am Wasser gebaut war, aber in den dra-
    matischsten Szenen, als Violetta ihren Geliebten glauben
    lässt, sie wolle ihn nicht mehr, da kämpfte ich gewaltig gegen
    den Gefühlsausbruch in meinem Inneren an, und als nach
    der Pause die Geschichte sich zuspitzte, hielt ich mich kaum
    noch auf meinem Sitz. Diese übergroße Musik und die Tra-
    gik der Geschichte hatten eine derartige Wirkung auf mich,
    dass ich fast alles um mich vergaß und auf dem Geländer vor
    mir lehnte. Nur Istvans grünes Starren war das Einzige, was
    ich nicht ausblenden konnte, was ich niemals ausblenden
    konnte. Als die Musik zum letzten Mal anschwoll, um Violet-
    tas Tod und die Wiedervereinigung mit Alfredo zu unterma-
    len, presste ich bereits atemlos meine Faust gegen meinen
    Mund. So unfassbar traf mich das Ende der beiden Opern-
    figuren. Als sich die Sänger zum Applaus auf die Bühne ge-
    sellten, hatte ich mich noch immer nicht gefangen. Istvan
    lächelte aus irgendeinem Grund ständig in sich hinein. Er
    schmunzelte hinter vorgehaltener Hand. Ich verstand seine
    Reaktion nicht. Schließlich gab es gerade eben ein trauriges
    Ende zu bestaunen.
    „Was ist? Wieso lächelst du so verstohlen?“, frage ich ihn
    völlig perplex.
    „Das ist schwer zu erklären. Du müsstest wie ich hören
    können, wie dein Herzrhythmus sich ständig der Musik und
    der Handlung anpasst. Es ist erstaunlich. Ich habe in mei-
    nen ganzen neunzig Jahren noch nie jemanden erlebt, der
    sich so in eine Geschichte hineinsteigern und mit den Cha-
    rakteren fühlen kann. Es ist faszinierend geradezu. Als wärst
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    du ein zusätzliches Instrument im Orchester“, versuchte er
    mir seine Konzentration auf mich zu erklären. Dabei wurde
    mir bewusst, dass er wohl die meiste Zeit eher mir als dem
    Ensemble zugehört haben musste. Das schüchterte mich
    dann doch ein. So was konnte ich aber gar nicht gebrau-
    chen, schließlich plante ich noch eine Verführung. Dabei ist
    Schüchternheit von immensem Nachteil.
    „Es freut mich, dass ich und mein Herzschlag dein Opern-
    vergnügen noch steigern konnten“, spaßte ich und versuchte,
    so selbstsicher wie möglich zu klingen.
    Während die anderen Besucher bereits aus dem Saal
    gingen, saßen wir noch eine Weile auf unseren Plätzen und
    sahen uns in die Augen. Wir machten uns erst zum Gehen
    bereit, als die Musiker anfingen zusammenzupacken. Auf
    dem Rückweg, die Treppe hinab, wollte ich ihm gerade die
    entscheidende Frage des Abends stellen, als er mir zuvor
    kam.
    „Es ist normalerweise nicht meine Art, so mit der Tür ins
    Haus zu fallen. Aber es gibt da etwas, was ich dir gestehen
    muss. Ich habe uns ein Hotelzimmer reserviert. Ich hoffe,
    das war nicht zu forsch von mir?“, fragte er mit hochgezo-
    gener Augenbraue und ich konnte meine zustimmende Re-
    aktion natürlich nicht verbergen. Ich fiel ihm stürmisch um
    den Hals und meinte dazu nur.
    „Ich werde versuchen, über Ihre Anmaßung hinwegzu-
    sehen, Mister“, sagte ich geziert affektiert und küsste ihn
    leidenschaftlich in aller Öffentlichkeit, vor den letzten ver-
    sprengten Besuchern und vor dem Opernpersonal. Ich wur-
    de mit einem füchsischen Lächeln belohnt.
    Er fuhr natürlich über der Geschwindigkeitsbegrenzung
    und wir waren in kürzester Zeit vor dem Hilton Vienna Plaza.
    Ich kannte das Hotel nur deshalb, weil es in der unmittel-
    baren Nähe der Universität lag. Ich hätte jedoch nie den Mut
    gehabt, ohne Istvan dort allein hineinzugehen. Wozu auch,
    ich hätte mir die Zimmerpreise dort nicht leisten können. Es
    hätte mir auch nichts ausgemacht, in einer günstigen Abstei-
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    ge zu übernachten, solange er nur bereit war, die Möglich-
    keiten der Neumondnächte in Anspruch zu nehmen.
    Wir hetzten nun von der Parkgarage, wo er plötzlich einen
    Übernachtungskoffer für mich aus dem Kofferraum zog, in
    das Hotelfoyer. Während Istvan uns anmeldete, versuchte
    ich verstohlen, mein Äußeres mithilfe der vielen Spiegel
    nahe dem Empfang zu richten. Ich wurde richtig nervös und
    konnte mich kaum noch beherrschen. Als er endlich mit dem
    Schlüssel zurückkam, nahmen wir die Treppen, weil uns
    der Aufzug zu langsam schien. Nachdem er aufgeschlossen
    hatte, blieb mir kaum noch Zeit, die Möbel und die andere
    Einrichtung des Zimmers zu bewundern. Sobald Istvan die
    Tasche auf der dunklen Holzanrichte abgestellt hatte, kam er
    schon auf mich zu und umarmte mich stürmisch. Ich wäre
    beinahe umgefallen, so energisch war

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