Wolfsfieber
bemerkte, dass Christians charmante
Art und sein gutes Aussehen sich gut mit Carlas natürlicher
Schönheit und ihrem humorvollen Wesen verbanden und
dass Viktors neckende Liebenswürdigkeit sehr gut zu Paulas
Engelsgeduld passte. Ich fühlte mich plötzlich fehl am Platz
und wünschte mir, wieder zu Hause zu sein. Bei dem Gedan-
ken fiel mir auf, dass ich bei dem Wort „zu Hause“ nicht an
mein eigenes Haus gedacht hatte, sondern an Istvans. Das
erschreckte mich. Ich begann, mich in meinem eigenen Le-
ben fremd zu fühlen, während mir Istvans merkwürdige Welt
immer vertrauter wurde. War mein Lachen zuvor noch echt
und gelöst gewesen, wurde es nun leicht gezwungen und auf-
gesetzt. Es war mittlerweile Mitternacht und ich war froh zu
wissen, dass es bereits offiziell Sonntag war. Es würde nicht
lange dauern, gerade mal bis Mittag, bis ich Istvan wieder-
sehen und erfahren würde, was er für mich geplant hatte.
Am Sonntag kam ich also zum Mittagessen zu Istvan. Es war
etwas schwierig, auf dem Weg zu seinem Haus nicht gese-
hen zu werden. St. Hodas hatte unter der Woche den Vorteil,
so gut wie menschenleer zu sein. Die meisten Einwohner
waren dann bei der Arbeit und man konnte sich relativ frei
bewegen, ohne gesehen zu werden. Die Wochenenden wa-
ren schwieriger. Dennoch schaffte ich es heimlich zu ihm
und kam wie meistens durch die Hintertür. Ein umwerfen-
der Duft, nach rauchigem Fleisch und würzigem Gemüse,
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empfing mich. Also ging ich zur Küche, wo ich meinen
Chefkoch auch fand. Istvan wendete gerade das Rindfleisch.
Zwei riesige, saftige Steaks brutzelten auf dem Elektro-Grill,
daneben Tomatenscheiben, Frühlingszwiebeln und Auber-
ginenscheiben.
„Hallo Geburtstagskind, du kommst etwas zu früh. Aber
in fünf Minuten ist das Fleisch perfekt“, begrüßte Istvan
mich.
Ich atmete den herrlichen Duft des Essens ein und nä-
herte mich ihm. Ich wollte ihn zur Begrüßung küssen. Dazu
legte ich meine Hand auf seine Schulter und wartete nicht
mal, bis er sich zu mir umdrehen konnte. Er hatte mir seinen
Körper gerade mal halb zugewandt, da umfasste ich schon
seinen Oberkörper und drängte mich dicht an ihn. Mit
einem leichten Druck in seinen Nacken zog ich sein Ge-
sicht zu mir herab. Meine Lippen presste ich fest auf seine
und begann meinen Mund leicht zu öffnen. Ich fühlte die
Bewegung seiner heißen Unterlippe auf meiner Oberlippe
und bekam wieder dieses Herzrasen, das auch ihn forscher
werden ließ. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und er-
widerte meinen Begrüßungskuss mehrmals. Und hätte das
Fleisch nicht plötzlich begonnen zu zischen, hätten wir uns
noch viel länger geküsst.
„Jetzt wären beinahe deine Geburtstagssteaks verbrannt.
Aber das wäre es wert gewesen“, neckte er mich und fuhr mit
seiner Nase zart an meiner entlang.
„Ich halte mich nur an mein Versprechen, die Qualität
meiner Begrüßungen zu verbessern, du erinnerst dich?“, fra-
ge ich ihn im Spaß.
„Ich erinnere mich an alles, was uns angeht, Joe. Beson-
ders wenn es mir wieder mal gelungen ist, dich dranzukrie-
gen“, scherzte er mit aufgerissenen Augen und lachte ausge-
lassen. Wer zur Hölle war dieser Mann und was hatte er mit
meinem selbstquälerischen Istvan angestellt?
Irgendetwas war im Busch, ich hatte nur keine Ahnung,
was es sein könnte. Zuerst war er so schnell bereit gewe-
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sen, mich nachts ohne Schutz ausgehen zu lassen, und jetzt
scherzte er herum. Er prüfte auch nicht ständig das Handy,
was mich erleichterte. Was immer er für diesen Sonntag ge-
plant hatte, es versetzte ihn in Hochstimmung. Das sollte
mir helfen, wenn ich später das fleischliche Thema auf den
Tisch packen würde und damit waren bestimmt nicht die
Steaks gemeint.
Er servierte das Essen auf dem gedeckten Tisch und al-
les schmeckte, wie erwartet, köstlich. Das Fleisch war, trotz
der kleinen Unaufmerksamkeit, zart und saftig. Zum Nach-
tisch brachte er eine halbe Pfirsichtorte. Als ich sah, welche
Frucht auf dem Teigboden lag, musste ich sofort grinsen, fast
so breit wie er. Ich erkannte die Torte sofort.
„Naschkatze, habe ich recht?“, fragte ich und zeigte mit
der Gabel auf die Torte.
„Ja genau. Gute Bäckerei, blöder Name!“, merkte er an
und schüttelte ungläubig den Kopf, fast genauso, wie Carla
und ich es immer taten.
„Jetzt, da wir das Essen hinter uns haben, sagst du mir
endlich, wieso du heute so blendende Laune hast,
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