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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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erklären.
    „Ich sollte besser verschwinden, damit er mich hier nicht
    entdeckt. Soll ich hoch in dein Zimmer gehen?“, fragte er,
    fast schon unsicher.
    „Ja. Ich versuche, ihn hier unten zu halten. Mach schnell,
    er ist schon an der Treppe!“, fuhr ich ihn nervös an.
    „Joe, eins noch. Er ist irgendwie aufgeregt. Sein Puls hört
    sich beunruhigt an“, flüsterte er, während er die Treppe hoch-
    schnellte. Ich nickte ihm zu, ehe er außer Sichtweite war.
    Ich kam Viktor entgegen und öffnete die Tür, bevor er
    selbst eine Chance dazu hatte. Sein leicht nervöses Lächeln
    begrüßte mich. Er fühlte sich irgendwie unwohl. Ich kannte
    meinen Bruder. Er lächelte immer mit dem gesamten Ge-
    sicht, doch jetzt war nur sein Mund dabei, ein Lächeln zu
    erzeugen, während seine Augen eher besorgt blieben.
    „Hallo Schwester“, begrüßte er mich.
    „Hallo. Ich habe heute nicht mit dir gerechnet. Wie geht’s
    dir? Gibt es etwas Bestimmtes?“, fragte ich ihn und hatte ihn
    noch immer nicht hereingebeten.
    „Mir geht’s ganz gut. Wir haben uns ja lange nicht mehr
    gesehen, deshalb dachte ich, ich sehe mal nach dir“, mur-
    melte er vor sich hin. Ich winkte ihn zu mir herein und ging
    in die Küche, von der aus man nicht nach oben sehen konn-
    te. Der Gedanke, dass Istvan im Haus war, während ich mit
    Viktor sprach, machte mich nervös, besonders wenn ich
    an die bedrückte Stimmung dachte, die zwischen uns zum
    Dauerzustand geworden war.
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    „Setz dich doch. Möchtest du auch einen Kaffee?“, fragte ich
    ihn, während ich dabei war, mir selbst einen einzuschenken.
    „Ja, gerne. Joe, ich bin eigentlich nicht nur so vorbeige-
    kommen. Die Eltern haben mich mehrmals gebeten, nach
    dir zu sehen“, gestand er mir und ich konnte einen unange-
    nehmen Unterton in seiner Stimme ausmachen.
    „Wieso das denn?!“, stieß ich perplex hervor und stellte
    Viktor den Kaffee hin.
    „Na ja. Du sollst mehrmals nicht an dein Handy gegangen
    sein und du hast sie auch nicht zurückgerufen. Du hättest
    dir doch denken können, dass sie deshalb an die Decke ge-
    hen“, erinnerte er mich an Esthers und Heinrichs Besorgnis
    und machte mir ein schlechtes Gewissen.
    „Ich hatte einfach viel zu tun, Viktor. Ich muss wohl ver-
    gessen haben, zurückzurufen. Das ist doch kein Grund, hier
    einen auf Feuerwehr zu machen!“, erklärte ich ihm etwas
    kraftlos und deutete auf den Stoß mit Zeitungen und Aus-
    drucken, der auf dem Tisch im Wohnzimmer lag.
    „Ja, schon klar. Du bist beschäftigt und du warst ja schon
    immer der Typ, der sich nicht gerne kontrollieren lässt. Aber
    jetzt mal unter uns. Ist irgendwas mit dir? Letztes Wochen-
    ende warst du auch nicht zum Essen bei uns“, erinnerte er
    mich. Viktor hatte recht, ich mied in letzter Zeit jeden Men-
    schen, auch meine Freunde und besonders Familienmitglie-
    der. Ich hatte Angst, dass meine Eltern, falls ich wirklich mit
    ihnen sprechen sollte, meinen hoffnungslos traurigen Ton
    heraushören könnten, das wollte ich vermeiden.
    „Viktor, es geht mir ganz gut. Ich habe nichts. Nur in letz-
    ter Zeit habe ich viel gearbeitet und schlafe nicht besonders.
    Und ich habe auch noch eine leichte Grippe“, log ich und
    deutete dabei auf den dicken Wollschal, der um meinen
    Hals geschlungen war.
    „Oh, das tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass du krank
    bist. Vielleicht solltest du dich etwas hinlegen. Die Arbeit
    läuft dir ja nicht davon“, schlug er mir vor und deutete mit
    abweisender Geste auf den Papierstapel.
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    „Ja, das klingt ziemlich gut. Vielleicht sollte ich mich wirk-
    lich ein paar Stunden aufs Ohr hauen. Und ich verspreche
    dir, heute Abend ruf ich unsere Weltenbummler an!“, sagte
    ich und lächelte ihn scherzend an. Ohne es zu wissen, hatte
    Viktor mir die Steilvorlage geliefert, mit der ich ihn aus dem
    Haus bekam.
    Er trank hastig den Kaffee aus und machte sich auf zu
    gehen.
    „Dann gute Besserung, Große“, wünschte er mir und sah
    auf mich herab.
    „Danke, Kleiner. Grüß Paula von mir“, verabschiedete ich
    mich von ihm.
    Sobald mein Bruder aus dem Haus war, hörte ich Istvans
    leise Tritte auf der Treppe hinter mir. Ich drehte mich zu
    ihm um und sah den verstörten Ausdruck, der sein Gesicht
    überschattete.
    „Sie machen sich Sorgen um dich. Dabei wissen sie nicht
    einmal, wie sehr sie sich wirklich sorgen sollten. Wieso rufst
    du sie nicht an?“, fragte er mich fürsorglich und setzte sich
    dabei auf die oberen Stufen.
    „Ist
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