Wolfsfieber
und riss mir dabei den Schal mit
einem einzigen Ruck vom Hals. Unter dem violetten Stoff
kam mein blasser Hals hervor und die dunkelblauen Prellun-
gen darauf, bei denen ich nun deutlich sah, dass man Fin-
gerabdrücke im Muster der Blutergüsse ausmachen konnte.
Automatisch wendete ich den Blick ab, sah zur Seite. Istvan
packte meinen Kopf, sodass ich gezwungen war, mich selbst
verletzt im Spiegel zu sehen. Meine Augen erschreckten
mich mehr als der Anblick meines zerschundenen Halses.
Meine Augen waren panisch, gehetzt. Das Blau erinnerte an
einen übertretenden Fluss und machte mir Angst, fast noch
mehr Angst als das unerbittlich traurige Grün, das mir aus
Istvans Augen entgegenstarrte.
„Sieh genau hin! Sieh dir genau an, was ich dir angetan
habe, und jetzt sag mir: Wie kannst du das ertragen, wie
kannst du mich noch in deiner Nähe ertragen?“, fragte er
mich und seine tiefe Stimme war nur noch ein Trauermeer,
voller Zorn und Verachtung für sich selbst.
Ich antwortete nicht und starrte nur lange auf die Refle-
xionen unserer Körper im Spiegel. Ich dachte gründlich über
seinen Vorwurf nach. Das tat ich wirklich. Aber ich wollte es
dennoch. Ich wollte ihn in meiner Nähe haben. Wenn ich in
seine Augen im Spiegel sah, sah ich weder Farkas darin noch
das Wolfsmonster, das gestern versuchte, mich zu töten. Alles,
was ich in seinen grünen Augen sah, war er selbst und was
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ich schon immer darin gesehen hatte, auch wenn mich seine
Traurigkeit darin noch tiefer berührte als je zuvor. Ich sah ihn
und mich. Jetzt, da er einen Arm auf meiner Schulter hatte
und sein anderer Arm meinen Oberarm umklammerte, wurde
mir bewusst, dass es noch immer da war, trotz allem, der unbe-
zähmbare Wunsch, ihm nahe sein zu wollen, ihn zu berühren.
Das würde meine Antwort sein. Ich legte meine linke Hand
auf seine Hand, die meine Schulter umfasste. Seine Wärme
erstaunte mich immer noch. Er schreckte nicht sofort zurück.
„Ich sehe uns, das sehe ich. Ich ertrage deine Nähe nicht
nur, Istvan, ich suche sie, auch jetzt. Sieh in meine Augen
und sag mir, dass ich lüge!“, forderte ich und blickte durch
den Spiegel entschlossen in seine Augen hinter mir.
Er starrte lange zurück und ich konnte fühlen, wie seine
Wut sich langsam verzog, und dennoch zog er seine Hand
unter meinen Fingern weg.
Ich drehte mich schnell um, bevor er sich davonmachen
konnte.
„Ich habe dir längst vergeben und werde nicht aufgeben,
so lange, bis du dir selbst verzeihen kannst. Du kennst mich,
ich habe einen Dickschädel!“, erinnerte ich ihn mit einem
leichten, schiefen Lächeln.
Er lächelte nicht zurück. Istvan schüttelte nur ratlos den
Kopf. Offenbar hatte ich ihn aus dem Konzept gebracht. Ich
würde jeden Einwand und jeden Vorwurf, den er vorbrin-
gen konnte, ebenso energisch zurückweisen. Ich war fest
entschlossen. Ich hatte keine Angst vor ihm. Vielleicht lag
es daran, dass ich in ihm immer mehr meinen Retter und
den Mann, den ich liebte, sah als den Wolf oder was sonst
noch in ihm schlummerte. Ich fühlte nach wie vor diese
Geborgenheit, auch wenn er bereits dabei war, sie mir zu
entziehen, um mich zu schützen. Das beunruhigte mich
zutiefst. Ich ging vom Spiegel weg. Zugegeben, ich wollte
nicht ständig auf meinen entstellten Hals starren. Ich war ja
eigentlich nicht masochistisch veranlagt. Obwohl Istvan das
augenscheinlich anders sah.
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„Joe, du gehst einen gefährlichen Weg und ich weiß nicht,
ob ich dir folgen kann. Bitte verlang das nicht von mir. Ich
kann nicht dein Leben riskieren, während wir versuchen
herauszubekommen, ob ich es tatsächlich unter Kontrolle
habe. Hast du mal daran gedacht, was alles schiefgehen
kann, jetzt, wo ich nicht nur versuchen muss, dich vor Farkas
zu beschützen, sondern auch vor mir selbst?“, fragte er mich
ernst und legte die Stirn dabei angestrengt in Falten.
„Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass jetzt vieles anders wird.
Ich weiß, dass es dir jetzt viel schwerer fällt, mit mir zusam-
men zu sein. Ich weiß, du denkst, dass deine Nähe ein Risiko
für mich ist. Aber, Istvan, du irrst dich. Ich denke, dass das,
was immer gestern in dir hochgekommen ist, überwunden
wurde, als du von selbst zu dir gekommen bist. Ich bin mir
da ziemlich sicher“, wandte ich ein und versuchte, überzeugt
zu klingen.
„Ziemlich sicher ist nicht genug für mich. Und, Joe, ich
bin nicht von selbst zu mir gekommen. Du hast mich
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