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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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es das einzige
    Krankenhaus in der Gegend. Da war es auch nicht weiter
    erstaunlich, dass auch meine Mutter die letzten dreißig Jah-
    re ihres Lebens als Krankenschwester im gleichen Hospital
    Dienst getan hatte.
    Als sich Carla wieder hinsetzte, fiel mir ein, dass ich mich
    noch gar nicht nach ihr und Christian erkundigt hatte:
    „Sag, wie geht es Christian eigentlich? Habt ihr beide
    noch immer diese Monsterschichten abzuleisten oder ist es
    schon besser geworden?“
    „Christian geht es gut. Er ist nur ständig hundemüde,
    wie ich auch. Diese verrückten Verwaltungstypen lassen uns
    noch immer 36-Stunden-Schichten machen. Es wird ein-
    fach nicht besser. Ich weiß bald nicht mehr, wie mein Bett zu
    Hause aussieht. Ich glaube, es ist aus Holz oder so“, scherzte
    sie mit sarkastischem Unterton, wobei sie ihre Verärgerung
    nicht verbergen konnte und auch nicht wollte.
    „Gott, das ist ja furchtbar. Ich sollte da mal was über euch
    schreiben. Vielleicht hilft es ja“, bot ich ihr an und registrier-
    te sofort ihren ablehnenden Ausdruck.
    „Nein. Bist du wahnsinnig? Du weißt ja, wie schnell man
    heutzutage fliegt. Vergiss das mal lieber schnell. Erzähl mir
    lieber, was es bei dir so Neues gibt“, lenkte sie ab und stellte
    genau die Frage, die ich nicht hören wollte.
    Was zur Hölle sollte ich darauf antworten? Etwa:
    Ach, nicht viel. Hab nur Istvan, den Bibliothekar, angefah-
    ren. Habe mal kurz von ihm erzählt. Ach ja, es stellte sich am
    Ende raus, dass ich ihn doch nicht umgebracht habe. Denn er ist
    ein Werwolf und steckt solche Unfälle ganz gut weg. Heute Mor-
    gen hat er es mir dann gestanden, und anstatt schreiend davon-
    zulaufen, hätte ich ihn beinahe geküsst, glaube ich jedenfalls.
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    Zumindest wäre das die Wahrheit gewesen. Doch ich
    konnte nicht mal ansatzweise etwas davon erwähnen. Ich
    musste jetzt ganz schnell lernen, wie man überzeugend log.
    Carla hatte mein Zögern bereits bemerkt. Das war nicht
    gut. Ich sollte bald mal was sagen, aber mein Mund fühl-
    te sich staubtrocken an und so konnte ich auf keinen Fall
    überzeugend lügen. Ich hustete, als ob ich ein starkes Krat-
    zen im Hals hätte, und schüttelte dabei noch gekünstelt den
    Hals. Die diesjährigen Oscar-Anwärter würden durch meine
    schauderhafte Schauspielleistung nicht das große Zittern be-
    kommen.
    Nach meinem Hustenanfall räusperte ich mich und nahm
    einen Schluck von dem Wasser, das der Kellner, ein kleiner,
    älterer Chinese, auf den Tisch gestellt hatte.
    „Na, geht’s wieder?“, fragte sie mit besorgter Miene. Ein
    Wunder war geschehen. Sie kaufte mir den Auftritt tatsäch-
    lich ab.
    „Ja, danke. Frosch im Hals. Nicht so schlimm“, ließ ich
    sie wissen und log.
    „Also, was gibt es nun Neues in St. Hodas und bei dir
    natürlich?“, bohrte sie weiter.
    „Alles eigentlich wie immer … langweilig wie immer“, er-
    klärte ich knapp und nahm weitere Schlucke aus meinem
    Wasserglas.
    „Komm schon. Erzähl mir, was hast du so die letzten Tage
    gemacht? Wolltest du nicht auf diese Messe, wie war es?“,
    fragte sie begierig weiter.
    „Ich war auf der Messe. War ganz schön viel los für eine
    kleine Ferienmesse. Gut besucht. Hab die letzten Tage nur
    gearbeitet. Geschrieben größtenteils. Sonst nichts“, gab ich
    ihr knapp zur Antwort und merkte, dass ich plötzlich im Tele-
    grammstil sprach, was ich sonst nicht tat. Ich wusste sofort,
    dass ich einen dummen Fehler gemacht hatte. Es fiel ihr auf,
    denn sie fragte mich gleich danach:
    „Was ist denn mit dir? So kurz angebunden kenne ich
    dich gar nicht. Du redest mit mir, als wäre ich ein unliebsa-
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    mer Bekannter, den du möglichst schnell loswerden möch-
    test.“
    Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie deutlich irritiert
    war. Ich konnte ihr nichts vormachen.
    „Entschuldige. Es war nur so ein langer Tag gestern und
    dann kam das auch noch mit dem Wagen hinzu. Dem Auto
    meiner Eltern, du verstehst?“, klärte ich sie auf und versuch-
    te, damit die Wogen wieder zu glätten.
    „Du machst dir Sorgen wegen des Autos deiner Eltern!
    Warum sagst du das nicht gleich? Ich bin sicher, sie sind
    nicht sauer. Und wenn schon. Sie kommen doch erst in
    einem dreiviertel Jahr von ihrer Weltreise zurück. Bis dahin
    ist das doch Schnee von vorgestern“, tröstete sie mich und
    schenkte mir diesen warmen Blick, bei dem mir immer wie-
    der bewusst wurde, was für ein Glück ich hatte, Carla zur
    besten Freundin zu haben.
    „Ja, du hast recht.

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