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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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tragen? Es war so un-
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    fair. Wenn ich wenigstens etwas für ihn hätte tun können,
    wäre es schon fast eine Gnade gewesen.
    Ich lief, angetrieben durch erneute Schreie Istvans, ins
    Bad und befeuchtete ein paar Tücher. Als ich zurückkam,
    hatte er sich im Bett aufgerichtet und ein verlorener Aus-
    druck überzog sein Gesicht.
    „Wo warst du? Du bist zurückgekommen? Geh nicht
    mehr weg, bitte. Es hilft mir so, dass ich weiß, dass du da
    bist“, stöhnte er mir kraftlos entgegen.
    Ich konnte nicht glauben, was er sagte. Konnte das wahr
    sein?
    Ich stürmte an seine Seite, nahm seine Hand. Die Regeln
    waren mir nun völlig egal. Ich versicherte ihm:
    „Ich werde nicht weggehen, hörst du, Istvan? Ich bin da.
    Ich gehe nicht weg, wenn es dir hilft.“
    Er schien sich etwas zu beruhigen. Nur etwas. Wenigs-
    tens sein Gesicht war nicht länger vollkommen vom Schmerz
    verzerrt. Ich nahm die nassen Tücher, faltete eines davon
    zusammen und legte es ihm auf die Stirn. Dann riss ich ihm
    das Hemd vom Leib und bedeckte ihn mit dem weißen, nas-
    sen Tuch. Istvan streifte sich die Jeans ab und ich legte das
    letzte Tuch über seine langen Beine. Ich zog einen Stuhl ans
    Bett und ließ ihn nie aus den Augen. Er heftete seinen Blick
    auf mein Gesicht, und wenn auch sein Körper weiterhin
    wild zuckte, so schienen wenigstens seine Gesichtszüge et-
    was entkrampfter. Plötzlich stieß er einen Schrei hervor, der
    nicht nach seiner Stimme klang, der kaum noch menschlich
    war. Es musste jetzt soweit sein, dachte ich. Er kroch unter
    den Tüchern hindurch und stürzte vom Bett. Auf allen vieren
    schleppte er sich zur Terrassentür, die nur angelehnt war.
    Mit der einen Hand stieß er sie, immer noch am Boden
    kauernd, auf und stürzte sich auf den kalten, harten Beton
    der Terrasse. Von da an ging alles sehr schnell. Ich starrte,
    vom Ende des Bettes aus, nur ungläubig auf den Körper, den
    ich zu kennen glaubte, und sah eine beinahe unbeschreib-
    liche Wandlung. Istvan hatte sich in eine Art Fötalposition
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    zusammengekauert und sein Rückgrat schien laut zu knacken
    und dabei zu schrumpfen. Sein ganzer Körper verkleinerte
    sich scheinbar. Gleichzeitig traten überall aus seiner Haut
    dichte Haare hervor. Unvorstellbar viel Fell bedeckte binnen
    Kurzem seinen ganzen Körper. Seine Gliedmaßen verschmä-
    lerten sich und nahmen, fast in der Zeit eines Atemzugs, tie-
    rische Form an, wie auch sein Gesicht, bis seine Gestalt und
    seine Züge vollkommen der eines Wolfes entsprachen. Das
    Letzte, was sich verwandelte, waren seine menschlichen Au-
    gen, wobei er auch in seiner Wolfsform diese grünen Augen
    behielt. Nur waren sie jetzt noch kräftiger und auffallender.
    Daran konnte man auch erkennen, dass er immer noch Ist-
    van war. Der Wolf Istvan stand nun inmitten des Gartens
    und sah zum Mond hoch. Ich dachte, er würde jeden Mo-
    ment losheulen. Stattdessen blickte er mich an. Ich stand
    nun auf der Terrasse mit einem ungläubigen Ausdruck und
    hielt mich an der Glastür fest. Ich hatte das Gefühl, jeden
    Moment hinfallen zu können.
    Der Wolf schien sich nicht zu bewegen. Er starrte mich
    nur gebannt an und ich wartete auf irgendein Zeichen des
    Wiedererkennens in seinen Augen. Ich erkannte Istvan in
    seiner Wolfsform an vielen Dingen. An seinen magnetisch
    grünen Augen, seinen sandfarbenen Haaren, die sich in Tei-
    len seines Felles wiederfanden, und an seiner stolzen Hal-
    tung. Ich musste wissen, ob auch er noch wusste, wer ich
    war, solange er ein Wolf blieb.
    Ich ging zaghaft in den Garten und näherte mich vorsich-
    tig dem Wolf, der einfach nur still dastand, als würde er auf
    mich warten. Ich streckte schon von Weitem meine Hand
    nach ihm aus und versuchte, keinerlei bedrohlichen Ein-
    druck zu erwecken. Ich hielt den Atem an. Als meine Hand
    das warme, weiche Fell auf seinem Kopf berührte, stieß ich
    einen erschrockenen Atemzug hervor. Er, der Wolf Istvan,
    schien es zu genießen, von mir gestreichelt zu werden, denn
    er hob den Kopf hoch, um meine Berührung noch fester zu
    spüren, wie ich es von Hunden kannte.
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    „Unfassbar“, sagte ich laut, mehr für mich selbst als an
    jemanden gewandt.
    Ich hatte mich gerade an seine Gegenwart als Wolf ge-
    wöhnt, da huschte er davon, sprang mit einem unglaub lichen
    Satz über die Steinmauer und rannte in die vom Mond er-
    hellte Nacht in Richtung der Wälder.
    Ich stand regungslos da. Die Hand noch immer nach
    unten ausgestreckt. Mein Blick

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