Wolfsfieber
erwischt. Mein
rechtes Knie war aufgeschlagen und blutig. Das andere
bestand aus einem einzigen Bluterguss, der von Blaugrau
bis Tiefviolett alle Schattierungen von Blau widerspiegelte.
Meine Haare – eine zersauste Löwenmähne aus wilden,
feuchten Locken. Der Anblick war beunruhigend, vor allem
als mir bewusst wurde, dass da tatsächlich ich im Spiegel zu
sehen war.
Kein Wunder, dass Istvan letzten Endes nicht auf meinen
Annäherungsversuch eingegangen war. Mein Körper machte
keinen besonders begehrenswerten Eindruck. Eines fiel mir
erst jetzt, wo ich meine Verletzungen mit den Fingern er-
kundete, auf. Ich fühlte den Schmerz der Prellungen und
die Schärfe auf den blutigen Striemen. Als Istvan auf mir
gelegen hatte, nachdem das Körpergefühl wiedergekommen
war, konnte ich nichts von alledem spüren. Keinen Schmerz
und kein Unbehagen. Lag es an den neu entdeckten Gefüh-
len, die ich für Istvan empfand und nun nicht länger unter-
drücken konnte?
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Eigentlich sollte ich heute den Tag über bereits Fotos
bearbeiten und zwei Artikel schreiben. Doch ich konnte
noch nicht mal geradeaus gehen, geschweige denn zusam-
menhängende Sätze bilden. Deshalb kroch ich wieder unter
die Decke. Jeder Schritt zurück in mein Bett war verflucht
schmerzhaft, und kaum fühlte ich das warme Bettzeug über
und unter mir, schlief ich tief und fest ein. Ich schlief den
ganzen Tag und den ganzen Abend lang. Als ich wieder auf-
wachte, war es bereits Nacht. Es war fast neun, als mich ein
verstörender Traum aus dem Dämmerzustand riss. Es waren
noch nicht einmal Bilder, die mich so aufwühlten. Es waren
vielmehr Eindrücke des Wahnsinns und der Panik, die letzte
Nacht wie ein Damoklesschwert über mir geschwebt hatten.
Erst als ich meinen Kopf zurück auf das Kissen legte und
ein schwacher Honig-Wald-Geruch auf mich einströmte,
den Istvan auf meinem Bett hinterlassen hatte, beruhigte ich
mich ein wenig. Ich war noch immer halb nackt und langsam
kroch die Kälte ins Haus und brachte mich zum Frösteln. Es
war stockdunkel und jetzt fiel mir wieder ein, dass ich die
Fotos der gerissenen Schafe noch an die Redaktion mailen
musste. Den Text dazu hatte ich auch noch zu schreiben.
Aus dem Kleiderschrank holte ich mir einen dicken, lan-
gen Pullover und zog dazu die gefütterten Ugg-Boots an, die
meine geschundenen Füße wärmten und schützten. Meine
Bürste zog ich mit ein paar schmerzhaften Strichen über
meine Haare und brachte dabei zwei Blätter zum Vorschein.
Ich band sie zu einem lockeren Knoten und setzte mich an
den Schreibtisch. Während mein Laptop hochfuhr, holte ich
mir noch zwei Scheiben Knäckebrot, mehr hätte ich beim
besten Willen nicht zu mir nehmen können, und verband die
Kamera mit dem PC.
Als die Bilder der getöteten Schafe auf meinem Bild-
schirm auftauchten, bekam ich Gänsehaut. War es wirklich
der arme, tote Wolf, um den ich bitterlich geweint hatte, der
all diese Schafe gerissen hatte? Ich konnte es mir einfach
nicht vorstellen. Der Wolf hatte keine Tollwut. Jedenfalls er-
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innerte ich mich nicht, irgendeine Art von Schaum um sein
Maul gesehen zu haben. Alles, woran ich mich glasklar erin-
nerte, war Blut, so viel Blut, und der entsetzliche Gedanke,
Istvan verloren zu haben.
Ich suchte eines der Totalfotos aus, auf denen man nicht
genau sehen konnte, wie schauderhaft dieses Gemetzel tat-
sächlich aussah, und schicke es an den Redaktionsserver.
Beim Artikel feilte ich nicht lange herum und versuchte gar
nicht erst, geistreich zu sein. Ich begnügte mich damit, die
wenigen Fakten, die ich kannte, zusammenzufassen und zwei
kurze Absätze zu tippen. Ich las den Artikel nicht einmal Kor-
rektur, wovon ich sonst nie absah. Aber ich konnte und wollte
nicht mehr daran denken. Ich wollte nur noch eine Sache:
heiß und lange baden und dann einfach nur weiterschlafen
bis zum nächsten Morgen. Denn morgen würde kein leichter
Tag zum Ausruhen werden. Es war Martini, das Fest des hei-
ligen Martin. Viele Verpflichtungen standen auf dem Plan und
ich konnte es mir nicht erlauben, mich davor zu drücken.
Istvan hatte schon vor den Vollmondnächten zugesagt, den
Bücherstand der Schule zu betreuen, und Martin würde den
Handarbeitsverkauf beaufsichtigen. Das würde es schwierig
machen, mit Istvan über die vergangene Nacht zu sprechen,
darüber, wo er gewesen war und was er über die verendeten
Meyer-Schafe und den erschossenen Wolf
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