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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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erwischt. Mein
    rechtes Knie war aufgeschlagen und blutig. Das andere
    bestand aus einem einzigen Bluterguss, der von Blaugrau
    bis Tiefviolett alle Schattierungen von Blau widerspiegelte.
    Meine Haare – eine zersauste Löwenmähne aus wilden,
    feuchten Locken. Der Anblick war beunruhigend, vor allem
    als mir bewusst wurde, dass da tatsächlich ich im Spiegel zu
    sehen war.
    Kein Wunder, dass Istvan letzten Endes nicht auf meinen
    Annäherungsversuch eingegangen war. Mein Körper machte
    keinen besonders begehrenswerten Eindruck. Eines fiel mir
    erst jetzt, wo ich meine Verletzungen mit den Fingern er-
    kundete, auf. Ich fühlte den Schmerz der Prellungen und
    die Schärfe auf den blutigen Striemen. Als Istvan auf mir
    gelegen hatte, nachdem das Körpergefühl wiedergekommen
    war, konnte ich nichts von alledem spüren. Keinen Schmerz
    und kein Unbehagen. Lag es an den neu entdeckten Gefüh-
    len, die ich für Istvan empfand und nun nicht länger unter-
    drücken konnte?
    151

    Eigentlich sollte ich heute den Tag über bereits Fotos
    bearbeiten und zwei Artikel schreiben. Doch ich konnte
    noch nicht mal geradeaus gehen, geschweige denn zusam-
    menhängende Sätze bilden. Deshalb kroch ich wieder unter
    die Decke. Jeder Schritt zurück in mein Bett war verflucht
    schmerzhaft, und kaum fühlte ich das warme Bettzeug über
    und unter mir, schlief ich tief und fest ein. Ich schlief den
    ganzen Tag und den ganzen Abend lang. Als ich wieder auf-
    wachte, war es bereits Nacht. Es war fast neun, als mich ein
    verstörender Traum aus dem Dämmerzustand riss. Es waren
    noch nicht einmal Bilder, die mich so aufwühlten. Es waren
    vielmehr Eindrücke des Wahnsinns und der Panik, die letzte
    Nacht wie ein Damoklesschwert über mir geschwebt hatten.
    Erst als ich meinen Kopf zurück auf das Kissen legte und
    ein schwacher Honig-Wald-Geruch auf mich einströmte,
    den Istvan auf meinem Bett hinterlassen hatte, beruhigte ich
    mich ein wenig. Ich war noch immer halb nackt und langsam
    kroch die Kälte ins Haus und brachte mich zum Frösteln. Es
    war stockdunkel und jetzt fiel mir wieder ein, dass ich die
    Fotos der gerissenen Schafe noch an die Redaktion mailen
    musste. Den Text dazu hatte ich auch noch zu schreiben.
    Aus dem Kleiderschrank holte ich mir einen dicken, lan-
    gen Pullover und zog dazu die gefütterten Ugg-Boots an, die
    meine geschundenen Füße wärmten und schützten. Meine
    Bürste zog ich mit ein paar schmerzhaften Strichen über
    meine Haare und brachte dabei zwei Blätter zum Vorschein.
    Ich band sie zu einem lockeren Knoten und setzte mich an
    den Schreibtisch. Während mein Laptop hochfuhr, holte ich
    mir noch zwei Scheiben Knäckebrot, mehr hätte ich beim
    besten Willen nicht zu mir nehmen können, und verband die
    Kamera mit dem PC.
    Als die Bilder der getöteten Schafe auf meinem Bild-
    schirm auftauchten, bekam ich Gänsehaut. War es wirklich
    der arme, tote Wolf, um den ich bitterlich geweint hatte, der
    all diese Schafe gerissen hatte? Ich konnte es mir einfach
    nicht vorstellen. Der Wolf hatte keine Tollwut. Jedenfalls er-
    152

    innerte ich mich nicht, irgendeine Art von Schaum um sein
    Maul gesehen zu haben. Alles, woran ich mich glasklar erin-
    nerte, war Blut, so viel Blut, und der entsetzliche Gedanke,
    Istvan verloren zu haben.
    Ich suchte eines der Totalfotos aus, auf denen man nicht
    genau sehen konnte, wie schauderhaft dieses Gemetzel tat-
    sächlich aussah, und schicke es an den Redaktionsserver.
    Beim Artikel feilte ich nicht lange herum und versuchte gar
    nicht erst, geistreich zu sein. Ich begnügte mich damit, die
    wenigen Fakten, die ich kannte, zusammenzufassen und zwei
    kurze Absätze zu tippen. Ich las den Artikel nicht einmal Kor-
    rektur, wovon ich sonst nie absah. Aber ich konnte und wollte
    nicht mehr daran denken. Ich wollte nur noch eine Sache:
    heiß und lange baden und dann einfach nur weiterschlafen
    bis zum nächsten Morgen. Denn morgen würde kein leichter
    Tag zum Ausruhen werden. Es war Martini, das Fest des hei-
    ligen Martin. Viele Verpflichtungen standen auf dem Plan und
    ich konnte es mir nicht erlauben, mich davor zu drücken.
    Istvan hatte schon vor den Vollmondnächten zugesagt, den
    Bücherstand der Schule zu betreuen, und Martin würde den
    Handarbeitsverkauf beaufsichtigen. Das würde es schwierig
    machen, mit Istvan über die vergangene Nacht zu sprechen,
    darüber, wo er gewesen war und was er über die verendeten
    Meyer-Schafe und den erschossenen Wolf

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