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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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tatsächlich
    gesagt? Laut? Es wäre gut möglich, dass ich es mir nur ein-
    gebildet hatte. Schließlich war es das, was ich von ihm hören
    wollte, und er hatte seine Enthüllung kaum wahrnehmbar
    ausgesprochen. War es wieder eines dieser Versehen, die
    schon zu unseren üblichen Verhaltensweisen gehörten, oder
    war es ernst gemeint?
    Ich wollte es wissen und ging hinaus auf den Flur. Mit ein
    paar Büchern bewaffnet machte ich mich zu seinem Stand
    auf, um dort Martin anzutreffen. Er stand Istvan genau
    gegenüber und winkte mir zu. Ich stellte die Bücher auf Ist-
    vans Tisch, ohne ihn anzusehen, und drehte mich zu Martin
    um. Er drapierte die Tischdecken und Zierdeckchen, die die
    Mütter zum Verkauf gespendet hatten. Er war guter Dinge
    und begrüßte mich gleich mit einem Witz.
    „Jetzt haben sie mich offenbar zur Oberglucke gewählt“,
    sagte er schmunzelnd und deutete auf die Handarbeiten der
    Hausfrauen. Er wirkte als Mann tatsächlich fehl am Platz
    zwischen all dem Firlefanz und buntem Dekor. Martin hatte
    diese Art, mit den Augen genauso zu lächeln wie mit dem
    Mund. Das bewirkte, dass man automatisch zurücklächelte,
    auch wenn einem eigentlich nicht danach zumute war.
    „Tja, für sie ist der Priesterstand wohl gleichbedeutend
    mit Mütterlichkeit“, griff ich seinen Scherz auf und zupfte
    an den gehäkelten Tischdecken.
    „Dir ist wohl kalt“, stellte er fest und deutete mit dem
    Kinn in Richtung meiner Hände, die in den Handschuhen
    steckten. Ich konnte förmlich spüren, wie Istvans Blick mei-
    nen Rücken durchbohrte, und zwang mich, nicht nach hin-
    ten zu sehen.
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    „Ja, du weißt ja. November. Grippezeit. Und diese zugi-
    gen, kalten Schulflure sind da keine Hilfe.“ Ich sprach nun
    wieder in dieser abgehackten Art, die mich schon bei Carla
    verraten hatte. Ich wurde nervös.
    „Na dann sieh mal, dass du dir keine Erkältung einfängst.
    Bald kommt doch der Advent und du möchtest doch nicht,
    dass dir die ganzen Aufträge durch die Lappen gehen.“
    „Ja, mach ich!“, sagte ich und ging wieder, ohne zur
    Seite zu sehen, wo ich Istvan vermutete, den Flur entlang
    zur Aula. Der Bürgermeister sprach dort mit der Direkto-
    rin, Frau Witt, über die Feier, die bald beginnen würde.
    Die ältere Direktorin war mir nie sonderlich sympathisch
    gewesen und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
    Sie hatte diese toupierte, mit viel Spray gestylte Helm-
    frisur. Eigentlich sah ihr Haar aus wie eine kugelförmige,
    weiße Zuckerwatte und sie war immer übermäßig stark ge-
    schminkt. Wenn sie mit einem sprach, gab sie einem in
    ihrer unpersönlichen, herablassenden Art das Gefühl, voll-
    kommen ungelegen zu sein. Ich hasste es, dass ausgerech-
    net diese Frau Kinder unterrichten sollte. Es war eine lä-
    cherliche Vorstellung.
    Ich bemerkte ihre Blicke, die sie mir immer wieder zu-
    warf, während sie mit dem Bürgermeister sprach. Ich konnte
    es nur vermuten, aber es machte den Eindruck, als redeten
    sie über mich. Vermutlich zog sie über mein merkwürdiges
    Benehmen her, das ich auf dem Meyer-Hof an den Tag ge-
    legt hatte. Ich konnte nur hoffen, dass Taucher sich nicht
    zu sehr von ihr beeinflussen ließ. Er und ich verstanden uns
    immer recht gut und nun brauchte ich Informationen von
    ihm, da passte mir die Einmischung der Direktorin Witt gar
    nicht in den Kram.
    Als sie sich aufmachte, ihre Lehrer in Reih und Glied zu
    bringen, um ihre Befehle für die heutige Aufführung auszu-
    geben, trat ich an Bernds Seite.
    „Hi! Wie geht’s?“, fragte ich unverbindlich und versuchte
    auf lässig zu machen.
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    „Gut. Ich sollte lieber fragen, wie es dir geht? Was war
    denn neulich bloß los, du bist ja sonst nicht zimperlich?“,
    wollte er nun wissen. Er kam immer zum Punkt. Eigentlich
    eine Eigenschaft, die ich an ihm mochte, unter anderen Um-
    ständen natürlich.
    „Mir geht’s gut. Ich war neulich etwas krank und hatte
    nichts gegessen. Magen-Darm-Virus. Und dann dieser An-
    blick, auf nüchternen Magen. Es war mir so peinlich. Ich
    musste mich übergeben. Ich hielt den Geruch einfach nicht
    länger aus. Tut mir leid, dass ich einfach abgehauen bin. Aber
    manchmal kommt Übelkeit vor Höflichkeit, du verstehst?“,
    scherzte ich und zog belustigt die Augenbrauen hoch.
    Er ging darauf ein. Er lachte und machte ein paar dumme
    Witze der derberen Art über die verendeten Schafe und mei-
    nen schwachen Magen. Ich ließ sie über mich ergehen und
    hoffte, so seine

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