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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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und blickte mich dabei grinsend an, diesmal direkt in
    die Augen. Jetzt funkelten seine Augen. War das meine Ant-
    wort? Ich war nicht sicher. Ich hob meinen Kopf ganz leicht
    vom Kissen, damit meine Lippen ganz nahe an seine heran-
    kamen. Ich fühlte bereits seinen heißen Atem auf meinem
    Mund, der noch immer ein wenig zitterte. Ich war mir fast
    sicher, dass er mich küssen wollte. Er fuhr mit seiner Hand
    in meine Haare und strich sie mir aus der Stirn. Ich kam
    noch etwas näher. Wieso küsste er mich nicht? Merkte er
    denn nicht, dass ich ihm entgegenkam?
    Plötzlich drehte er seinen Körper, und da meiner mit sei-
    nem verschlungen war, landete ich erneut auf dem Rücken.
    Diesmal war ich ihm vollkommen ausgeliefert. Seine Finger
    spielten nun wieder mit meinen Haarspitzen. Er kam immer
    näher auf mich zu. Er war nun über mir und ich konnte nur
    noch sein Gesicht und seine Augen sehen. Seine Wangenkno-
    chen traten deutlich hervor und wurden von der Morgensonne
    beleuchtet. Er öffnete leicht den Mund. Ich tat es ihm gleich.
    Unser beider Atem war schon vereint, doch ehe seine Lippen
    mich berührten, drehte er sich von mir weg und ließ sich auf
    den Rücken fallen. Er lag nun neben mir und presste die Au-
    gen krampfhaft zu. Seine geballte Faust rammte er frustriert
    gegen die Matratze. Ich konnte sein Verhalten nicht verstehen,
    aber ich sagte nichts und tat, als hätte ich es nicht bemerkt.
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    Was müsste noch geschehen, damit er endlich zulassen
    konnte, zu lieben und von mir geliebt zu werden?
    Ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass wieder dieses
    unangenehme Schweigen zwischen uns ausbrach oder dass
    er sich vor mir hinter selbst errichtete Mauern zurückzog.
    Deshalb stellte ich ihm unvermittelt eine Frage.
    „Wie hast du mich heute eigentlich gefunden?“
    „Ich habe deinen Schrei gehört. Du hast mich zu Tode
    erschreckt. Aber du warst ja auch selbst ganz schön erschro-
    cken. Du hättest eigentlich wissen müssen, dass ich nicht
    dieser tote Wolf sein konnte“, sagte er mir mit einer unper-
    sönlichen, rauen Stimme, vermutlich um jetzt Distanz zu
    schaffen, die er wohl für nötig hielt.
    „Wieso hätte ich das wissen müssen?“, fragte ich einge-
    schüchtert.
    „Nachdem du mich angefahren hattest und ich bewusst-
    los war, hast du mich doch als Menschen gesehen. Ich dach-
    te, du hättest es dir da schon zusammengereimt. Wenn wir
    so schlimm verletzt werden, dass wir bewusstlos sind, ver-
    wandeln wir uns wieder in einen Menschen, bis unsere Ver-
    letzungen verheilt sind. Deshalb musste ich auch damals aus
    deiner Küche verschwinden.“
    „Ach so. Das hätte ich mir wirklich denken können. Da
    hast du recht. Aber dieser arme Wolf von heute Morgen war
    doch nicht bewusstlos, er war … tot“, stellte ich nochmals er-
    schrocken fest und das Bild von dem blutigen Schnee blitzte
    wieder vor mir auf. Ich schüttelte mich, um es loszuwerden.
    „Wenn ich dieser Wolf gewesen wäre, wenn du mich tot
    gefunden hättest, hättest du nicht über einem Wolfskörper ge-
    weint“, ließ er mich wissen und starrte mich dabei unverwandt
    und mit verletztem Blick an. Seine grünen Augen spiegelten
    die ganze Tragik meiner schmerzhaften, langen Nacht wider.
    Erst als er meine Angst sah, die sein Blick und seine Worte in
    mir auslösten, nahm er mich beschützend in die Arme.
    Als er eine Stunde später wieder nach Hause aufbrach
    und mir befahl, den heutigen Tag im Bett zu bleiben, verab-
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    schiedete er sich abermals mit einer Umarmung. Einer ein-
    deutig freundschaftlichen Umarmung.
    Er hatte schon fast das Gartentor erreicht, da rief ich ihm
    hinterher:
    „Ich bin so froh, dass du es nicht warst. Ich hoffe, du
    weißt das.“
    Er sah mich lange und schweigsam an, dann ging er.
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    9. Verdächtiges Verhalten
    Sobald Istvan aus der Tür war, hechtete ich zurück in mein
    Zimmer und stellte mich vor den Standspiegel. Es waren
    derart viele Spuren auf meinem geschundenen Körper, dass
    ich mich nicht mal entscheiden konnte, welche Katastrophe
    ich zuerst in Augenschein nehmen sollte. Da waren meine
    Hände. Die linke mit Kratzern und Blutstriemen übersät,
    als hätte ich meine Faust in einen Dornbusch gerammt. Die
    rechte schien seltsamerweise nichts abbekommen zu ha-
    ben. Die Zweige, die sich durch meine Kleidung hindurch
    ins Fleisch gebohrt hatten, verursachten eine Vielzahl blau-
    er Flecken, auf Oberarmen, Rippen und Schenkeln. Meine
    knochigen Knie hatte es am schlimmsten

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