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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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sich enthüllt hatte?
    Es gab keine befriedigenden Antworten und auch nach
    zwei vollen Tagen mit Grübeln und noch mehr Grübeln war
    ich der Wahrheit noch immer nicht auf der Spur. Nach-
    denken brachte nichts. Ich musste handeln, auch wenn ich
    wusste, ich würde nicht den Mut zu einer erneuten Konfron-
    tation haben. Ich konnte nicht mehr so forsch und furchtlos
    ihm gegenüber auftreten, wie ich es noch vor ein paar Wo-
    chen gekonnt hatte. Jetzt, da ich wusste, dass ich ihn liebte,
    und nachdem ich Istvan schon verloren geglaubt hatte, war
    ich unfähig, ihn erneut anzugreifen.
    Ich musste etwas unternehmen, aber es müsste klamm-
    heimlich geschehen, ohne dass er etwas davon erfuhr.
    Es war ein Wochentag und Istvan würde noch bis circa
    vier Uhr in der Bibliothek sein. Er schloss die Tür zu sei-
    nem Haus meistens nicht ab. Viele Leute auf dem Land ver-
    schlossen tagsüber ihre Tür nicht. Das war meine Chance.
    Ich hatte noch eine knappe halbe Stunde, um zu handeln.
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    Ich zog mir schnell meine Stoffturnschuhe über, ohne
    sie zu schnüren, warf mir den schwarzen Wintermantel über
    und machte mich auf zu seinem Haus. Wie üblich ging ich
    durch den Garten, um nicht gesehen zu werden. Bei jeder
    anderen Gelegenheit hätte Istvan auf mich gewartet und es
    wäre fast Nacht. Doch jetzt schlich ich mich am helllichten
    Tag über einen fremden Garten und rüttelte an der Hinter-
    tür, wie ein Strauchdieb. Ich hatte Pech. Die Tür war ver-
    schlossen. Martin würde das für ein göttliches Zeichen hal-
    ten und von seinem Vorhaben absehen. Doch ich hatte diese
    fixe Idee und mein Sturschädel verhinderte, dass ich jetzt
    logisch oder rücksichtsvoll dachte. Ich musste sehen, was
    in diesem verdammten Notizbuch stand. Das Küchenfenster
    war ein Spalt breit offen. Damit hatte ich nicht gerechnet.
    Es war immerhin fast Winter und ziemlich kalt. Aber Ist-
    van spürte die Kälte doch kaum, das hatte ich fast verdrängt.
    Ich stellte mich auf den Brennholzhaufen, der unter dem
    Küchenfenster aufgetürmt war. Istvan hackte immer genug
    Brennholz für den kleinen Kamin, damit mir auch warm ge-
    nug in dem alten, zugigen Haus war. Und zum Dank brach
    ich nun in sein Haus ein. Wie passend. Gut gemacht, Joe,
    sagte ich zu mir selbst.
    Aber es war zu spät. Ich hatte den Entschluss gefasst und
    würde diese leichtsinnige Aktion bis zum Ende durchziehen.
    So viel stand fest. Was völlig im Dunkeln lag, war der Inhalt
    des geheimnisvollen Notizbuches. Ich stand auf dem Holz
    und spreizte die Zehen, um auf den Fenstersims zu gelangen.
    Das Fenster war tatsächlich nur angelehnt und ich konnte
    es leicht aufstoßen. Mit einem Krächzen hievte ich meinen
    Oberkörper durch das hoch gelegene Fenster und versuch-
    te, den Rest meines Körpers nachzuziehen. Ich agierte dabei
    so geschickt, dass ich mit einem Rutsch auf den Boden der
    Küche knallte und dabei den roten Pullover einriss. Was für
    ein Bravourstück!
    Ich lag mit dem Bauch auf den Küchenfliesen. Wäre Ist-
    van an meiner Stelle gewesen, hätte er, wie ein Leichtathlet,
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    lediglich einen exakten Sprung gebraucht und wäre fast laut-
    los auf seinen Füßen gelandet.
    Wie peinlich!
    Ich wollte gerade aufstehen, da sah ich, dass meine Turn-
    schuhe voll mit Matsch waren. Es regnete und der Boden
    war überall aufgeweicht. Ich konnte auf keinen Fall mit
    diesen Tretern durch sein Haus latschen, ohne eindeutige
    Spuren zu hinterlassen. Deshalb zog ich die Schuhe aus und
    nahm sie in die Hand. Istvan hatte lediglich eine kleine Ni-
    schenküche, die gerade zum Kochen groß genug war. Der
    Esstisch stand im großen Wohnzimmer, das früher vermut-
    lich das Klassenzimmer gewesen sein musste. Ich ging jetzt
    auf Zehenspitzen durch dieses riesige Wohnzimmer. Konn-
    te ich noch lächerlicher aussehen? Ich schlich durch einen
    Raum, in dem ich schon Dutzende Mal eingeladen war.
    Ich durchquerte auf diese Weise langsam das ganze
    Haus, bis ich an seinem Schlafzimmer angelangt war. Die
    Tür war geschlossen. Als ich den Türknopf umfasste, zö-
    gerte ich. Diese Aktion könnte alles ruinieren oder mir alle
    Antworten geben. Auf jeden Fall würde sie Dinge in Gang
    setzen, das spürte ich ganz deutlich. Ich öffnete die dunkle
    Holztür und fand, wie erwartet, ein leeres Schlafzimmer vor.
    Istvan musste es heute eilig gehabt oder schlecht geschlafen
    haben, denn sein Bett war nicht gemacht. Die weißen Laken
    und die übrige Bettwäsche waren zerwühlt. Hatte er

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