Wolfsflüstern (German Edition)
Schnauze und bleckte die Zähne, dann kam er auf sie zu. Gina riss das Gewehr hoch und feuerte.
Sie war sicher, das Biest getroffen zu haben; sie stand zu nah, um es zu verfehlen. Doch anstatt heulend in Flammen aufzugehen und zu sterben, schnaubte der Wolf und verdrehte die nur allzu vertrauten Augen.
»Oh nein«, keuchte Gina. »Nein.«
Die Sonne schob sich über den Horizont, und das Tier verwandelte sich.
Knochen knackten, Gelenke knirschten; das Fell schien nach innen gesaugt zu werden. Die Schnauze verkürzte sich, dann teilte sie sich in Mund und Nase; die Fänge wurden zu Zähnen, die Krallen zu Fingernägeln. Einige Minuten später erhob Jase McCord sich von vier Beinen auf zwei. Die Kugel, die Gina ihm in die Brust gejagt hatte, kullerte auf die Erde.
»Warum du?«, zitierte er sie. »Weil du das Einzige bist, das ich je wollte.«
Er war nackt, aber Gina zuckte deswegen mit keiner Wimper. Schließlich waren herabbaumelnde Körperteile die kleinste aller Sorgen, wenn man gerade mitansehen musste, wie jemand, den man liebte, sich von einem Wolf in einen Menschen verwandelte.
»Aber du … es … er …« Gina atmete tief durch. »Was zur Hölle ist passiert, Jase? Wann wurdest du gebissen?«
»Das wurde ich nicht.«
»Das ist unmöglich.«
Als Jase sich streckte, riffelten sich die Muskeln unter seiner perfekten, bronzefarbenen Haut. Sie wirkten größer als zuvor – nicht dass Gina je viel Zeit darauf verschwendet hätte, seine Muskeln zu messen. Sie war nie interessiert gewesen.
»Du hast gerade eine Silberkugel auf mich abgefeuert.« Jase stupste das Ding mit dem Zeh an. Müsste er jetzt nicht jaulend und auf einem Bein hüpfend seinen Fuß umklammern, weil der qualmte und brannte? »Hat noch nicht mal eine Delle hinterlassen. Unmöglich scheint auch nicht mehr das zu sein, was es mal war.«
Er hob den Blick, und die Rage darin, die kaum verhohlene Grausamkeit ließen Gina einen Schritt zurückweichen. Jase war sauer auf sie gewesen, und das praktisch nonstop seit Teos Auftauchen, aber nie zuvor hatte er sie angesehen, als wollte er sie umbringen.
Sie drehte sich um und versuchte, die Flucht anzutreten, aber McCord überwand die kurze Distanz zwischen ihnen schneller, als es einem normalen Menschen möglich gewesen wäre, und packte ihren Arm.
»Nein«, sagte er leise, aber in seiner Stimme, die Gina so gut kannte, klang ein Knurren mit, das da nicht hingehörte. Er riss ihr das Gewehr aus den Fingern und schleuderte es mit einer beiläufigen Drehung seines Handgelenks über seine Schulter. Die Waffe flog gut hundert Meter weit.
Gina bedauerte den Verlust, auch wenn sie sich als völlig nutzlos erwiesen hatte.
»Du hast auf mich geschossen.« Jase schüttelte sie.
Ihr Kopf kippte zurück und wieder vor, erst ein Mal, dann ein zweites Mal. Schließlich ließ er sie los und schlenderte ein Stück weiter, sich der spitzen Steine, der Kakteen und seiner nackten Füße offenbar nicht bewusst.
»Die Kugel hat dich nicht verletzt«, stellte sie fest. Wie konnte das sein?
»Du dachtest, sie würde mich töten.« Er fasste hinter eines der zwei Meter hohen Felsgebilde, die sie umgaben. »Hättest du auf ihn auch geschossen?«
Jase zerrte einen gefesselten und geknebelten Mateo Mecate hervor.
Matt war stinksauer auf sich selbst. Wie hatte er das zulassen können?
Um fair zu sein: Er hatte sich nicht freiwillig von McCord fesseln lassen. Er war wie vereinbart nach unten ins Wohnzimmer gegangen, wo ihm der Penner hinterrücks eins über den Schädel gezogen hatte. Als Matt wieder zu sich gekommen war, hatte er zu einem Sternenhimmel hochgestarrt und sich gewünscht, er wäre tot.
Wenn auch nicht so stark wie in dem Moment, als Ginas Stimme an sein Ohr gedrungen war.
Warum ich?
Während McCord ihn hinter dem Felsen hervorschleifte, versuchte Matt noch immer dahinterzukommen, warum Gina hier war, was der Schuss zu bedeuten hatte und wieso der Idiot nackt war.
»Teo!« Gina rannte zu ihm und riss ihm den Klebestreifen vom Mund – mit einem schnellen Ruck, was die beste Methode war, trotzdem tat es weh. Er keuchte vor Schmerz, und sie murmelte »Entschuldigung«, während ihre Hände nach seinen Fesseln tasteten.
»Eh-eh-eh.« McCord zog sie auf die Füße. »Er bleibt, wie er ist.«
Sie wehrte ihn ab. »Wozu die Mühe? Wenn eine verdammte Kugel dir nichts anhaben konnte, kann er das erst recht nicht.«
»Eine Kugel konnte ihm nichts anhaben?« Matt stemmte sich mit seinen gefesselten
Weitere Kostenlose Bücher