Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
wie Sex. Mal sehen, das würde einmal pro Jahrtausend sein.
Ich war nicht frigid e – wenigstens nicht sehr. Ich hatte bloß ein kleines Problem mit Intimität. Vielleicht, weil meine letzte sexuelle Begegnung zu Mord geführt hatte.
Ein weiterer heller und heiterer Gedanke, um den Tag zu begrüßen. Kein Wunder, dass ich den Morgen hasste.
Ohne mich zuerst anzuziehen, steuerte ich die Kaffeemaschine an. Es interessierte mich nicht im Geringsten, wer mich nackt sah. Falls dem Betreffenden der Anblick nicht gefiel, sollte er mir verflucht noch mal aus dem Weg gehen.
In Anbetracht meiner Einstellung zu Sex und Männern könnte man meinen, dass mein lockerer Umgang mit dem Nacktsein dazu im Widerspruch stand. Wenn man jedoch seinen Körper nicht als Sexualobjekt betrachtet, warum sollte es dann eine große Sache sein, wenn die Leute ihn sahen?
„Haben Sie vor, sich demnächst was überzuziehen?“, fragte Jessie und starrte dabei höflich aus dem Fenster.
Ich grinste. Wenigstens hatte ich sie ein bisschen aus der Fassung gebracht. „Sind Sie etwa prüde?“
„Sie ja ganz offensichtlich nicht.“
Früher war ich das gewesen. Früher war ich eine Menge Dinge gewesen. Heute war ich nichts mehr davon.
Ich fluchte, während ich sämtliche Wandschränke sowie den winzigen Kühlschrank auf- und wieder zumachte. „Kein Kaffee. Irgendwer muss sterben.“
„Als Mandenauer sagte, dass Sie kein Morgenmensch seien, habe ich daraus gefolgert, dass Sie ab Mittag okay sein würden.“
„Da haben Sie falsch gefolgert.“
„Warum sind Sie gestern Abend nicht einkaufen gegangen? Um Lebensmittel zu besorgen?“
Ich erstarrte, als die Erinnerung an letzte Nacht auf mich einstürzte. Eigentlich war mein Plan gewesen, ein paar Stunden zu schlafen, dann zurückzugehen und die Spuren zu verbrennen. Stattdessen hatte ich zu lange geschlafen und die toten Wölfe im Wald zurückgelassen.
Die Dinge entglitten mir.
Ich fand meine in die Laken geknüllte Unterwäsche, schob die Beine in meine verwaschene Jeans und grabschte mir das T-Shirt, das ich gestern angehabt hatte. Ich trug nur selten einen Büstenhalter. Ich brauchte keinen. Hatte ich nie.
„ Ähem .“
Ich schaute zu Jessie.
„Vielleicht sollten Sie sich lieber ein paar saubere Klamotten anziehen.“
„Was stimmt nicht mit di-“ Ich sah an mir runter, und die Worte erstarben mir auf den Lippen.
Meine Hose verunzierten Streifen, die rostbraune Farbe sein konnten, es, wie wir beide wussten, aber nicht waren. Mein ehemals weißes T-Shirt war mit Ruß, Schmutz und noch mehr roten Streifen besudelt. Ich konnte von Glück reden, dass niemand mich gesehen hatte, als ich letzte Nacht aus dem Wald gekommen war. Man hätte glauben können, dass ich eine Leiche vergraben hatte.
„Sie lassen sich nicht gern was sagen, oder?“
Ich zuckte die Achseln, dann zog ich das T-Shirt aus und ersetzte es durch eins aus meiner Tasche. Die Jeans ließ ich an. Ich würde sie wechseln, sobald wir zurück waren. Sie würde sowieso nur noch schmutziger werden.
„Wie viele haben Sie getötet?“
„Neun“, log ich, weil ich den braunen Wolf nicht erwähnen wollte, den ich nicht getötet hatte. Man erwartete von mir, Jessie zu trainieren, und nicht, ihr schlechte Angewohnheiten beizubringen.
Sie riss die Augen auf. „Neun? Das soll wohl ein Witz sein.“
„Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht wirklich ein Scherzkeks.“ Ich stopfte die Pistole in meinen Hosenbund, zog das T-Shirt darüber und steuerte auf die Tür zu. „Kommen Sie.“
„Wohin gehen wir?“
„Wir müssen ein paar Kadaver verbrennen.“
„Sie haben das noch nicht erledigt?“
Ich zuckte zusammen. „Könnten Sie noch ein bisschen lauter reden? Ich bin mir nicht sicher, ob man Sie auch wirklich bis nach Toronto gehört hat.“
„Mandenauer hat gesagt, dass wir sie immer sofort verbrennen sollen.“
„Tja, Mandenauer weiß verdammt noch mal auch nicht immer alles.“
„Was Sie nicht sagen.“
Ich öffnete die Tür und prallte geradewegs gegen die harte Mauer von Damien Fitzgeralds Brustkorb.
„Hmpf“, keuchte ich und wäre auf meinem Hintern gelandet, wenn er mich nicht an den Unterarmen abgefangen hätte.
„He, tut mir leid. Ist alles in Ordnung?“
Seine Hände waren rau und hart, so als hätte er in letzter Zeit eine Menge körperlicher Arbeit verrichtet, die ihm Schnitte und Schwielen eingebracht hatte. Vom Einschenken der Getränke bekam man solche Hände nicht. Man bekam sie auch nicht vom
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