Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
geht mein Mundwerk mit mir durch. Höflich zu sein fällt mir halt schwer.“
Ich warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Sie sah tatsächlich reumütig aus.
„Ich hatte nie eine Freundin. Bis z u … “
„Leigh?“
„Zee. Und das ist nicht gut ausgegangen.“
Was milde ausgedrückt war. Ich war überrascht, dass es Jessie überhaupt gelungen war, nach dem Fiasko in Miniwa mit Leigh Freundschaft zu schließen. Aber natürlich waren die beiden vom selben Schlag.
Trotzdem tröstete es mich zu wissen, dass Jessie dieselbe gesellschaftliche Ablehnung erfahren hatte wie ich. Ich verstand sie nun besser. Mochte sie sogar ein bisschen.
„Ist es Leigh genauso ergangen?“ Ich musste das einfach fragen. „Es ist schwer, Freunde zu finden, wenn man so ist wi e … “ Ich wollte sagen, wir , schaffte es jedoch nicht, das auszusprechen.
„Leigh?“ Sie lachte. „Nein, sie war die Prinzessin der Pompoms.“
„Wie bitte?“
„Die Königin des Abschlussballs, Anführerin der Cheerleader, Freundin des Quarterbacks. Ich kann noch immer nicht fassen, dass ich sie nicht erschossen habe, als sich die Gelegenheit bot.“
Jessies Worte entlockten mir ein Lächeln. Mädchen wie Leigh hatten auch mich nervös gemach t – damals, als solche Dinge noch wichtig gewesen waren.
Aber sobald man erst mal weiß, was für Monster unter uns leben, verliert der kleinliche Quatsch des Erwachsenwerdens seine Bedrohung. Eine weniger.
„Falls Franklin sich noch mal blicken lässt, besorgen Sie’s ihm.“
„Was?“
Sie verdrehte die Augen. „Gehen Sie mit ihm ins Bett. Vielleicht werden Sie anschließend nicht mehr so eine verdammte Nervensäge sein.“
Und ich hatte geglaubt, dass wir einen gewissen Frieden miteinander geschlossen hätten, als sie mich jetzt schon wieder beleidigte. Ich kapierte es einfach nicht.
„Ich kann nicht“, erwiderte ich.
„Wollen Sie sterben, ohne je erfahren zu haben, wie es ist, mit jemandem zusammen zu sein, den man liebt?“
„Wer hat behauptet, dass ich ihn liebe?“
„Ich mag ja nicht der einfühlsamste Mensch auf der Welt sein, trotzdem erkenne ich Liebe, wenn ich sie sehe. Was Sie fühlen, steht Ihnen jedes Mal, wenn Sie seinen Namen erwähnen, glasklar ins Gesicht geschrieben.“
Ich murmelte irgendwas Obszönes und trat gegen die Tür.
Jessie kicherte. „Männer sind begriffsstutzig. Ich glaube nicht, dass er es weiß.“
„Was ist mit Will?“
„Er ist ein bisschen aufmerksamer als die meisten, aber er wird Ihr Geheimnis niemandem verraten.“
Ich fühlte mich wie eine Idiotin.
„Also, was sagen Sie?“, hakte Jessie nach. „Falls Ihr Agent auftaucht, können wir uns ein bisschen rar machen. Ich werde Mandenauer auf irgendeine aussichtslose Wolfsjagd entführen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Als ich mich damals verliebte, hat sich mein ganzes Leben verändert.“
„Sich zu verlieben bringt das nun mal mit sich.“
„Nicht so wie bei mir. Wer weiß, was mit mir passiert, wenn ich mit Nic schlafe!“
„Sie sind ein Werwolf, Elise.“ Jessie spreizte die Finger. „Was könnte Ihnen das Schicksal noch Schlimmeres antun?“
16
Der Punkt ging an Jessie.
Auf gewisse Weise. Aber im Fall von Werwölfen gibt es nicht allzu viele Regelwerke. Nirgendwo stand geschrieben, dass sich an meiner derzeitigen Existenzform nicht noch mal etwas ändern könnte. Damien war es so ergangen.
Natürlich war er verflucht worden. Oder gesegnet. Verdammt, ich wusste langsam gar nichts mehr.
Aber da Sex sowohl für Menschen als auch für Wölfe ein normaler körperlicher Trieb ist, hatte ich mir durch meine Enthaltsamkeit vielleicht mehr geschadet als genutzt. So hatte ich das noch nie gesehen.
„Jess?“, rief Will. „Wir sollten uns jetzt auf die Suche nach Sheriff Stephenson machen.“
„Ruhig Blut, Kumpel.“ Jessie drängte sich an mir vorbei in den Flur.
Einige Momente später verkündete ein dumpfes Knallen, dass sie gegangen waren, und ich spürte, wie die Erschöpfung mich von Neuem übermannte. Ich stolperte in das Zimmer, das jetzt meins war, schlüpfte aus meinen verschwitzten Klamotten, dann krabbelte ich mit nichts als Jessies T-Shirt am Leib unter die kühlen Laken.
Die Fenster wurden durch schwere Vorhänge verdunkelt, di e – da die meisten tagsüber schliefen und nachts jagte n – , ebenso zum Grundbedarf der Jägersucher gehörten wie Silbermunition und falsche Papiere.
In dieser Hinsicht würden Vampire großartige Werwolfjäger abgeben, falls man
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