Wolfsherz
Deckung gab, streckte behutsam die linke Hand nach der Klinke aus, drückte sie herunter, zögerte noch einmal für die Dauer eines Atemzuges und riß die Tür dann mit einem Ruck auf.
Westmann stand mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen gelehnt da. Er hatte tatsächlich geraucht. Zwischen seinen Lippen klebte noch der heruntergebrannte Stummel einer Filterzigarette. Sein Kopf war nach vorne gesunken, und Stefan konnte sogar erkennen, daß etwas von seiner Zigarettenasche auf das Revers seines Seidenanzuges gefallen war und ein Loch hineingebrannt hatte.
Stefan glaubte allerdings nicht, daß das seinen Anzug noch verderben würde. Er war rot und schwer von dem Blut, das aus seiner durchgeschnittenen Kehle gequollen war.
»Großer Gott!« flüsterte Robert. »Das kann doch... nicht sein!«
Er machte einen einzelnen stockenden Schritt an Stefan vorbei, blieb stehen und tat dann einen zweiten, entschlosseneren Schritt.
»Zurück!«
brüllte Dorn.
Alles schien gleichzeitig zu geschehen. Der Leibwächter warf sich mit einem Satz auf die andere Seite der Tür und schmetterte sie zu. Dorn ergriff Robert mit beiden Händen an den Schultern und riß ihn mit solcher Gewalt zurück, daß er das Gleichgewicht verlor und hinfiel, und etwas wie ein sanfter Faustschlag traf die Tür, stanzte genau in Kopfhöhe ein Loch hinein und überschüttete Stefan und White mit einem Hagel mikroskopisch feiner, heißer Holzsplitter, ehe es einen Bilderrahmen auf der anderen Seite des Raumes zerschmetterte.
Stefan prallte entsetzt zurück, während White beinahe gelassen einen halben Schritt zur Seite trat. Er sah ein bißchen überrascht aus, fand Stefan, aber kein bißchen beunruhigt.
Dem ersten Schuß folgte kein zweiter, aber das Durcheinander, das für einen Moment ausbrach, hätte auch nicht größer sein können, wenn Barkows Leute mit einem Granatwerfer durch die offene Tür geschossen hätten. Robert wimmerte erschrocken; in hohen, fast hysterischen Tönen, als wäre er getroffen worden, und begann auf Händen und Knien von der Tür wegzukriechen. Der Leibwächter schob sich direkt an die Wand gepreßt vom Eingang fort, während Dorn immer wieder vor und zurück trat, wie eine kaputte Aufziehpuppe, die sich nicht entscheiden konnte, in welche Richtung sie gehen sollte. Und auch White verlor endlich einen Teil seiner schon fast unnatürlichen Gelassenheit, machte einen weiteren, etwas schnelleren Schritt zur Seite und drehte sich zu seinem Begleiter um.
»Matt! Nach hinten!«
Der Blonde verschwand, schnell und ohne ein Wort. Noch während er sich umdrehte, zog er seine Waffe aus der Manteltasche; mit der linken Hand, aber kein bißchen ungeschickt. Von Rechts wegen hätte er vor Schmerzen halb wahnsinnig sein müssen, aber er beherrschte sich auf eine Art, wie Stefan sie sonst nur von den Hauptdarstellern amerikanischer Action-Filme kannte. White suchte seine Leute offenbar wirklich sehr sorgfältig aus. Stefan bedauerte zutiefst, daß Robert bei der Auswahl seiner Leibwächter nicht ebenso gründlich gewesen war. Der Mann an der Tür war mutig, aber nicht besonders geschickt. Hätte es der Schütze draußen ernst gemeint, hätte er ihn spielend erwischen können - ebenso wie Robert übrigens, und auch ihn selbst. Sie hatten alle drei mehrere Sekunden lang vollkommen deckungslos dagestanden. Für einen Mann mit einem Zielfernrohr und einer ruhigen Hand geradezu eine Einladung, sich ein passendes Ziel auszusuchen. Der Schuß durch die Tür war eine Warnung gewesen; vielleicht nicht so drastisch wie das, was sie mit Westmann gemacht hatten, aber ebenso unmißverständlich.
Erst in diesem Moment wurde Stefan klar, wie absurd dieser Gedanke war. Er stand hier und philosophierte in aller Ruhe über die Qualität von Roberts und Whites Leibwächtern, während draußen vermutlich ein halbes Dutzend verrückter Russen durch das Gebüsch kroch und auf sie zielte, falls sie nicht gleich einen Mörser oder eine Panzerabwehrrakete in Stellung brachten!
Dorns Gedanken schienen sich in ähnlichen Bahnen zu bewegen, denn er hörte endlich auf, sich unentwegt vor und zurück zu bewegen und schrie ihn an: »Von der Tür weg, verdammt noch mal! Wollen Sie sich eine Kugel einfangen?«
Stefan trat gehorsam ein paar Schritte zur Seite, wodurch er zwar nicht mehr unmittelbar hinter der Tür stand, aber dafür nun halb vor dem großen Fenster, das auf dem Zwischenraum zwischen der Tür und dem Garagenanbau hinausführte.
Als er seinen
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