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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihn mit einem Blick, der Stefans Angst augenblicklich besänftigte. Er hatte ihm verziehen. Trotz allem gehörten sie zusammen, ganz gleich, was auch geschah.
    Dom schrie plötzlich auf, griff mit der unverletzten Hand nach seiner Pistole, die er fallen gelassen hatte, und versuchte auf den Wolf zu zielen. Stefan wollte ihm die Waffe aus der Hand schlagen, aber er hatte sich verschätzt: Sein Hieb ging ins Leere, und der Schwung seiner eigenen Bewegung ließ ihn stürzen. Sofort rollte er herum, ignorierte den pochenden Schmerz in seiner Seite und stemmte sich auf Hände und Knie hoch. In der Sekunde, die er abgelenkt gewesen war, hatte sich die Situation dramatisch verändert. Dorn lag auf dem Rücken, und die Wölfin hockte wie eine schwarze Chimäre auf seiner Brust. Ihre Fänge waren geöffnet. Blut und Speichel tropften auf Dorns Gesicht herab.
    »Nicht bewegen!« keuchte Stefan. »Um Gottes willen, bewegen Sie sich nicht!«
    Er bezweifelte, daß Dorn seine Worte überhaupt hörte. Der Polizist starrte den Wolf an, aber in seinen Augen flackerte etwas, das verdächtig an Wahnsinn grenzte. Er war gar nicht in der Lage, sich zu rühren.
    Stefan setzte sich ganz auf, blieb jedoch, wo er war, und gestikulierte nur mit der Hand, um die Aufmerksamkeit der Wölfin zu erwecken.
    »Nicht!« sagte er. »Töte ihn nicht! Er hat nichts damit zu tun!«
    Die Wölfin hob langsam den Kopf und starrte ihn an. Stefan konnte den inneren Kampf, der hinter ihrer Stirn tobte, regelrecht sehen; das Ringen zwischen uralten Instinkten und einer Kraft, die vielleicht keine menschliche Vernunft war, aber ihr gleichkam, wenn auch auf eine vollkommen andere Art. Er wußte nicht einmal, ob Sonja seine Worte in dieser Gestalt überhaupt verstand oder ob sie für sie nicht ebenso sinnlos blieben wie das leise Knurren und Grollen der Wölfin umgekehrt für ihn.
    Aber Worte waren auch nicht wichtig.
    Nach Sekunden, die sich zu Ewigkeiten dehnten, senkte der Wolf den Kopf wieder, berührte Dorns Kehle fast zärtlich mit den Zähnen und biß hinein.
    Die Berührung war sehr sacht; gerade, daß sie seine Haut ritzte, so daß ein einzelner Blutstropfen herausquoll. Dann richtete sich der Wolf auf, trat zurück und verschwand mit einem einzigen Satz aus dem Fenster.
    Irgendwo, noch ein gutes Stück entfernt, aber näher kommend, heulte eine Sirene, aber im Haus war es fast unheimlich still geworden. Nichts rührte sich. Die keuchenden Atemzüge des Söldners waren verstummt, und selbst Robert hatte aufgehört zu wimmern. Es gab eine Ruhe
nach
dem Sturm, begriff Stefan, nicht so unheilschwanger und voller Bedrohung wie die davor, aber dafür voller tödlicher Gewißheit.
    Er konzentrierte sich einen Moment lang auf das obere Geschoß. Auch dort herrschte - diesmal allerdings beruhigende -Stille. Dann kroch er auf Händen und Knien zu Dorn herüber und half ihm, sich aufzusetzen.
    »Alles in Ordnung?« fragte er.
    Dorn deutete ein Nicken an, das aber bestimmt nur ein Reflex auf seine Worte war, und hob die unverletzte Hand an die Kehle. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck unendlicher Verwirrung, als er das hellrote Blut betrachtete, das an seinen Fingerspitzen klebte.
    »Was... was war das?« stammelte er.
    »Glauben Sie an Werwölfe?« Stefan lachte bitter. »Wenn nicht, wäre jetzt vielleicht der richtige Moment, damit anzufangen.«
    Dorn starrte ihn eine geschlagene Sekunde lang an. Seine Verwirrung wurde zu etwas, das schlimmer war und seinen Verstand wahrscheinlich bis an die Grenzen des Wahnsinns belastete, aber dann mußte wohl irgendein Schutzmechanismus in Kraft treten. Sein Blick wurde wieder klar.
    »Mir fehlt nichts«, sagte er; allerdings nur, um seine Worte fast schon selbst zu relativieren. »Jedenfalls lebe ich noch.«
    »Und damit das so bleibt, solltet ihr beiden besser die Köpfe unten behalten«, meldete sich White von der anderen Seite des Zimmers zu Wort. Seine Stimme klang fremd. Er quälte sich jedes Wort ab. Aber eigentlich, dachte Stefan, war es schon fast ein Wunder, daß ihm der Hieb des Russen nicht den Kehlkopf zerschmettert hatte. »Es ist nämlich noch nicht vorbei.«
    Wie, um seinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen, fiel draußen auf der Straße ein einzelner Schuß, gefolgt von einem schrillen Jaulen. Stefan machte sich jedoch keine Sorgen. Die Russen würden das an sich Richtige tun und auf die Körper der Wölfe zielen, die viel leichter zu treffen waren. Bis sie begriffen, wie wenig das nützte, war es zu

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