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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht sehr wahrscheinlich, aber möglicherweise - waren sie sogar die ersten Menschen, die seit Anbeginn der Zeiten diesen Teil der Welt betraten. Aber es war kein erhebendes Gefühl, sondern ganz im Gegenteil ein Gedanke, der seine Angst nur noch schürte. Vielleicht, weil diese Welt so düster und anders war. Abgesehen davon, daß sie hier atmen konnten, war sie ebenso tödlich wie die Oberfläche eines fremden Planeten.
    Nach hundertundeiner Ewigkeit blieb Wissler endlich wieder stehen und hob die linke Hand. Die andere lag auf der Waffe, von wo er sie die ganze Zeit über nicht weggerückt hatte. Stefan trat mit einem letzten Schritt an seine Seite und sah ihn fragend an.
    »Sind wir da?«
    Wissler deutete schweigend nach vorne. Der Wald lichtete sich nach ein paar Schritten zu einem halbrunden, schneebedeckten Platz von nicht genau zu definierender Größe. Dahinter glitzerte etwas Dunkles. Vielleicht der Fluß, den sie vom Grat aus gesehen hatten.
    »Und wo ist der Hubschrauber?«
    Wissler machte eine Kopfbewegung in den Himmel. »Unterwegs. Sobald es hell genug ist, landet er, keine Sorge. Wir müßten ihn eigentlich schon fast hören.« »Sie stehen mit ihm in Verbindung«, sagte Stefan düster.
    »Ununterbrochen«, bestätigte Wissler.
    Stefan fragte sich, warum ihn diese Erkenntnis eigentlich überraschte, und sogar in Zorn versetzte. Wissler hatte den Helikopter bereits vor Stunden gerufen. Vielleicht war es die Tatsache, daß er die ganze Zeit über mit dem Piloten in Kontakt stand. Der Gedanke, daß es eine - wenn auch nur indirekte -Verbindung zu der richtigen Welt dort draußen gab, machte das Gefühl, allein gelassen und verloren zu sein, fast noch schlimmer.
    »Kann ich Sie einen Moment allein lassen?« fragte Wissler ernst. »Ich meine, ohne daß Sie wieder auf eigene Faust losziehen?«
    Stefan starrte ihn nur an, aber Wissler blieb ernst. »Ich spaße nicht«, sagte er. »Wir haben nicht sehr viel Zeit. Die Russen werden den Helikopter spätestens bemerken, wenn er in das Tal einfliegt. Ich weiß nicht genau, über welche Warfen sie verfügen, aber es ist besser, wenn wir vom Schlimmsten ausgehen.«
    »Einem anderen Hubschrauber«, vermutete Stefan.
    »Ein paar Boden-Luft-Raketen würden schon reichen«, sagte Wissler ernst. Er hob beruhigend die Hand. »Keine Sorge. Die Männer, die uns abholen, sind Profis, die auch mit so etwas fertig werden. Aber wir haben trotzdem keine Zeit zu verlieren.« Er deutete hinter sich. »Die Eisdecke auf dem Fluß müßte dick genug sein, um zehn Hubschrauber zu tragen. Aber ich will mich sicherheitshalber noch einmal überzeugen.«
    »Gehen Sie ruhig«, sagte Stefan spitz. »Wir werden uns nicht von der Stelle rühren. Wir bleiben stehen wie Lots Frau, ganz egal, was passiert.«
    Wissler sah alles andere als überzeugt aus, aber er ersparte es sich, die sinnlose Diskussion noch weiter fortzuführen, sondern trat zwischen den Büschen heraus und lief geduckt zum Flußufer hin. Obwohl die Wolkendecke mittlerweile aufgerissen und es nicht mehr ganz so dunkel war wie bisher, verloren sie ihn schon nach wenigen Schritten aus den Augen.
    Was Stefan schon einmal erlebt hatte, wiederholte sich:
    Sein Verstand sagte ihm, daß er nichts lieber täte, als den nächsten Ast vom Boden aufzuheben und Wissler damit den Schädel einzuschlagen, und trotzdem mußte er für eine Sekunde all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um Wissler nicht hinterherzurennen. Das Gefühl von Schutz, den Wissler ihnen geboten hatte, war noch stärker als erwartet.
    »Glaubst du, daß... er die Wahrheit sagt?« fragte Rebecca stockend. »Die Wölfe?«
    »Der Helikopter.« Rebecca schüttelte den Kopf. »Wir sind ziemlich lästige Zeugen.«
    »Wir sind ziemlich
hilflose
Zeugen«, verbesserte sie Stefan. »Und nicht im geringsten gefährlich.«
    »Bei dem, was wir wissen?«
    »Wir können nichts davon beweisen«, sagte Stefan niedergeschlagen - aber auch ein wenig verunsichert. Als er weitersprach, tat er es eigentlich nur, um Becci und sich selbst zu beruhigen, nicht aus wirklicher Überzeugung. »Er hat leider mit jedem Wort recht, weißt du? Wir können nichts von allem beweisen. Er hat es gar nicht nötig, uns umzubringen. Im Gegenteil - unser Verschwinden würde wahrscheinlich mehr Staub aufwirbeln, als es die wildesten Geschichten könnten, die wir erzählen.«
    Rebecca sah ihn nachdenklich an und auf eine Weise, die Stefan sich immer unbehaglicher fühlen ließ. »Ich wußte gar nicht, daß du

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