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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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so überzeugend reden kannst«, sagte sie. »Ich frage mir nur,
wen
du eigentlich überzeugen willst - dich oder mich.« Sie schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab, als er etwas erwidern wollte. »Ich traue dem Kerl nicht weiter, als ich spucken kann.«
    »Er hätte uns längst umbringen können, wenn er gewollt hätte«, antwortete Stefan lahm.
    »Vielleicht wollte er es
noch
nicht«, antwortete Rebecca. »Vielleicht wollte er nur nicht, daß wir den Russen in die Hände fallen, weil er Angst hatte, daß sie uns nicht umbringen«, sagte sie. »Hast du schon einmal
daran
gedacht?«
    Das hatte er, und mehr als einmal; allerdings nie sehr lange. Und ganz bewußt nicht intensiv genug, um zu einer Antwort zu kommen. Es war ohnehin sinnlos. Sie waren Wissler auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und konnten nichts anderes tun, als abzuwarten und zu hoffen.
    »Er bleibt ziemlich lange«, sagte Rebecca nach einer Weile.
    Stefan zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich ist er nur gründlich«, antwortete er. »Wäre es dir lieber, wir würden dort hinausgehen und einem russischen Scharfschützen vor das Gewehr laufen?«
    Er bekam keine Antwort, und er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Becci war nicht in der Stimmung, irgendwelche Argumente zu Wisslers Gunsten gelten zu lassen, und wer weiß - vielleicht hatte sie ja sogar recht damit. Trotzdem fuhr er nach einigen Sekunden fort; »Außerdem muß er dem Piloten wahrscheinlich Anweisungen geben, damit er die Maschine heil herunterbekommt. Dort draußen ist nicht besonders viel Platz zum Landen. Nicht mal für einen Hubschrauber.«
    Rebecca antwortete immer noch nicht. Aus einem ganz einfachen Grund - sie war nicht mehr da. Als Stefan sich herumdrehte, konnte er sie nur noch als verschwommenen Schemen zwischen den Bäumen erkennen; fünf, sechs Meter entfernt und damit an der Grenze des gerade noch Sichtbaren. Er schluckte einen Fluch herunter, drehte sich vollends in ihre Richtung und rief ihren Namen. Sie reagierte nicht.
    »Verdammt!« fluchte Stefan. Er sah noch einmal über die Schulter zurück in die Richtung, in der Wissler verschwunden war, dann eilte er mit weit ausgreifenden Schritten hinter Rebecca her.
    »Komm zurück!« rief er; weitaus lauter, als vielleicht gut war. Auf jeden Fall laut genug, daß Rebecca ihn hören mußte. Sie reagierte jedoch immer noch nicht, so daß er noch rascher ausgriff und schließlich hinter ihr herrannte, trotz der Gefahr, in der Dunkelheit gegen ein Hindernis zu prallen. Er holte sie ein, griff nach ihrer Schulter und versuchte sie zurückzureißen, aber Rebecca machte sich mit einer so überraschenden Bewegung los, daß er beinahe gestürzt wäre.
    »Bist du verrückt?« fragte er. »Was ist in dich gefahren? Wir -«
    »Ruhig!« sagte Rebecca; in einem Ton, der Stefan tatsächlich auf der Stelle verstummen ließ. Nach ein paar Sekunden fügte sie hinzu: »Horch!«
    Stefan lauschte, aber er hörte nichts außer den natürlichen Geräuschen des Waldes und seinen eigenen Atemzügen. Da Becci noch immer den Zeigefinger über die Lippen gelegt hatte, sagte er nichts, sah sie aber fragend an. Sie deutete auf einen Punkt hinter ihm und machte gleichzeitig mit der anderen Hand eine Geste, deren Bedeutung er nicht verstand.
    »Da ist irgend etwas«, flüsterte sie schließlich. Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging weiter, und Stefan folgte ihr - allerdings nicht, ohne einen nervösen Blick zum Waldrand zurückgeworfen zu haben. Er sah ihn kaum noch; allenfalls als Schimmer von etwas hellerem Grau auf Schwarz. Nur noch ein paar Schritte tiefer in den Wald hinein, und sie liefen ganz ernsthaft Gefahr, die Orientierung zu verlieren, so dunkel wie es hier war. Beiläufig fragte sich Stefan, wie Wissler eigentlich das Kunststück fertigbrachte, sich in dieser stygischen Finsternis nicht hoffnungslos zu verirren.
    Rebecca blieb plötzlich wieder stehen und hob warnend die Hand. Stefan erstarrte ebenfalls, und diesmal hörte er tatsächlich etwas. Er konnte nicht sagen, was es war, aber die Geräusche klangen... vertraut. Und zugleich fremd; wie ein Teil von etwas Größerem, das aus seiner normalen Umgebung herausgerissen worden war, so daß er es ohne irgendeinen Bezug nicht einzuordnen vermochte.
    Was ist das!
Er wagte es nicht, die Frage laut auszusprechen, aber seine Lippen formten die Worte so deutlich, daß Rebecca sie verstand. Sie hob die Schultern, aber irgend etwas sagte ihm, daß dieses Achselzucken nicht

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